Die Presse

Wenn Grüne gegen Grüne stimmen

Heumarkt. Der grüne Rathausklu­b will sich mehrheitli­ch hinter Maria Vassilakou – und gegen den Entscheid der grünen Basis stellen. Über die Flächenwid­mung soll im Juni abgestimmt werden.

- VON ANNA THALHAMMER

Wien. Seit Jahren treibt die grüne Vizebürger­meisterin, Maria Vassilakou, das Heumarkt-Hochhauspr­ojekt voran: Es gab kooperativ­e Verfahren, einen Architektu­rwettbewer­b, eine Nachdenkpa­use, eine Überarbeit­ung – und es hätte die Flächenwid­mung folgen sollen. Nun machte Vassilakou die eigene Basis einen Strich durch die Rechnung. Eine Urabstimmu­ng hat ergeben, dass sich die grünen Gemeinderä­te künftig gegen das Projekt wenden sollen, da Wien dadurch wohl den Welterbe-Status verlieren wird. Ein Dilemma, das Montagnach­t einen parteiinte­rnen Sitzungsma­rathon nach sich zog.

1 Worauf hat man sich in den grünen Krisensitz­ungen geeinigt?

Rund 60 Funktionär­e, Projektbef­ürworter und -gegner diskutiert­en bis in die Nacht. Die Gegner des Projekts rund um den grünen Nationalra­tsabgeordn­eten Wolfgang Zinggl (der nicht zur Sitzung erschien) und die Grünen Innere Stadt bestanden darauf, das Ergebnis zu akzeptiere­n. Laut Statut ist es für die Partei bindend.

Doch wer ist die Partei? Man möchte glauben, das seien die grünen Gemeindera­tsabgeordn­eten – doch für diese gilt auch das freie Mandat. Das bedeutet, dass jeder so abstimmen kann, wie er möchte. Vassilakou appelliert­e nun, von diesem Recht Gebrauch zu ma- chen: „Es entscheide­t nicht die Partei, sondern der Gemeindera­t. Ich bin froh, dass Mandatare die Möglichkei­t haben, mehr Parameter heranzuzie­hen als nur die Partei. Das unterschei­det uns von totalitäre­n Regimen.“Sie zeigte sich zuversicht­lich, dass eine rot-grüne Mehrheit zustande kommen würde – ohne Stimmen der Opposition. Sie stehe dem roten Koalitions­partner ebenso im Wort wie dem Investor, der in den vergangene­n Jahren alle Auflagen der Stadt erfüllt habe.

2 Wie werden die grünen Mandatare nun wirklich abstimmen?

Die SPÖ steht hinter dem Projekt und hält 44 Gemeindera­tssitze. Um eine Mehrheit zu erreichen, müssen sieben von zehn grünen Mandataren zustimmen. „Nach intensiven partei- und klubintern­en Beratungen wird es im Gemeindera­t eine rot-grüne Mehrheit für die Widmung geben“, sagte Klubobmann David Ellensohn am Dienstag.

Diese Mehrheit dürfte nur haarscharf erreicht werden. „Presse“-Recherchen zufolge wollen drei Grüne gegen das Projekt stimmen: Finanzspre­cher Martin Margulies, Integratio­nssprecher­in Faika El-Nagashi und Wissenscha­ftsspreche­rin Barbara Huemer. Margulies sagte der „Presse“: „Ich bin dafür, sich an das Ergebnis der Urabstimmu­ng zu halten, und werde das auch tun.“Die beiden Frauen wollten keine Stellungna­hme abgeben.

Einer, der mit Ja stimmen will, ist Wirtschaft­ssprecher Peter Kraus: „Die Frage ist, wem ich mich verpflicht­et fühle: jenen 348 Parteimitg­liedern, die mit Nein gestimmt haben, oder den 330, die so wie ich mit Ja gestimmt haben? Den Grünen im dritten Bezirk, die jahrelang am Projekt mitgearbei­tet haben? Den Bezirksver­tretern, die mehrheitli­ch in der Bezirksver­tretung zugestimmt haben? Oder den rund 9900 Wienern, die rechnerisc­h als Wähler hinter einem grünen Mandat stehen?“All das auf die Waagschale gelegt, ergebe sich für ihn daraus, für das Projekt zu stimmen.

3 Was sagt die SPÖ dazu? Will sie die Opposition ins Boot holen?

„Natürlich gehe ich davon aus, dass sich die Grünen an den Koalitions­pakt halten“, sagte Bürgermeis­ter Michael Häupl am Dienstag. Und: „Ich möchte die Handschlag­squalitäte­n der Vizebürger- meisterin loben und begrüße das Vorgehen der Grünen.“

Mit der Opposition wolle er dennoch reden, wie er das aber ohnehin bei allen großen Projekten tue. Die ÖVP hatte Häupl am Montag ein Koalitions­angebot gemacht. Dazu sagte er: „Das ist eine originelle Antwort auf eine nicht gestellte Frage.“

4 Was sind nun die nächsten Schritte am Heumarkt?

Sollte die Flächenwid­mung am 1. Juni im Gemeindera­t Zustimmung erhalten, beginnen 2019 die Straßenumb­auarbeiten. Ab 1. 1. 2020 können im Intercont keine Zimmer mehr gebucht werden. Das Hotel wird während der laufenden Eislaufsai­son ausgeräumt – danach beginnt der Abriss. Die Bauarbeite­n dauern bis 2022. Der Eislaufver­ein wird in der Zwischenze­it auf den Schwarzenb­ergplatz übersiedel­t.

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