Die Presse

Einfach Iggy Pop sein

Musikfilm. Regisseur Jim Jarmusch zeichnet in „Gimme Danger“Krach und Glanz der Proto-Punk-Band The Stooges.

- VON SAMIR H. KÖCK

Wir waren echte Kommuniste­n, allerdings ohne Überbau. Wir lebten einfach in einem Haus zusammen und teilten alles, sogar die Copyrights unserer Songs“, erinnert sich Iggy Pop, Chef der Stooges, frohgemut in Jim Jarmuschs unverstell­ter Huldigung. Nicht bloß dem musikaffin­en Regisseur gilt diese Band als Urknall des Punk: Sieben Jahre vor den 1975 gegründete­n Sex Pistols attackiert­en sie die Illusionen der Woodstock-Generation. „Die Sechzigerj­ahre auszulösch­en, das war unser Ziel“, sagte Iggy Pop in einer Talkshow. Vor wenigen Tagen 70 Jahre alt geworden, mittlerwei­le an ärgeren Hüftproble­men leidend, führt er als Kommentato­r durch Jarmuschs wilden Mix aus Archivmate­rial und Cartoon-Animatione­n, die an Frank Zappa erinnern, den Iggy Pop hoch schätzte.

Das Kindliche hat Pop in jeder Phase seiner holprigen Ikonoklast­en-Karriere hoch gehalten. Die begann mit wilden Rhythmen. Damals hieß er noch Jim Osterberg und lebte mit seinen Eltern in einem Wohnwagen. Der Besessenhe­it ihres Filius zollten sie bald Respekt und überließen ihm ihr Schlafgema­ch, auf dass er mehr Platz für sein Drumset habe. Später, als Trommler einer Band namens The Iguanas, hatte er den Ehrgeiz, auf dem größten Schlagzeug­podest der Popgeschic­hte zu spielen. Fünf Meter war es hoch.

Mit Schalk in den Augen erinnert sich Iggy Pop in „Gimme Danger“an Eindrücke aus dem Kinderfern­sehen. An „Buffalo Bob“, den er „Timothy Leary für Kinder“nennt, an die Sendung „Lunchtime with Soupy“die sein immerwähre­ndes Songwritin­g-Credo inspiriert­e: „mit 25 Worten oder weniger pro Song auszukomme­n“.

Soundmäßig war ein Schulausfl­ug in die Ford-Werke folgenschw­er. Pop hörte einen „Mega-Clang“, einen metallisch­en Schnalzer, der ähnlich schepperte wie später die Stooges. Im Gedächtnis blieben ihm auch Sessions als Schlagzeug­er mit afroamerik­anischen Musikern in Chicago: „Da fühlte ich mich immer sehr entspannt. Einfach, weil die Afroamerik­aner Menschen sind, die auch als Erwachsene ihre Kindheit nicht vergessen haben.“

Hämmern auf Ölfässern

Irgendwann hatte er es satt, auf die Hintern der Vorderleut­e zu blicken und stellte sich vorn auf die Bühne – mit den Brüdern Ron und Scott Asheton, weil er davon fasziniert war, wie schmutzig und krank die beiden aussahen. In seiner Zeit als Lagerarbei­ter bei Discount Records hatte Pop viel Sun Ra, John Coltrane und Harry Partch gehört: Jetzt wollte er seine eigene „Free-Form-Music“schaffen, mit primitiven Riffs, Herumhämme­rn auf Ölfässern, affenartig­en Tänzen und Experiment­en am Mikrofon. Rasch waren die Stooges die It-Band bei allen Dead-End-Kids der westlichen Hemisphäre. 1974 lösten sie sich auf, 2003 formierten sie sich wieder.

Obwohl sich jede Menge Popmusiker von Tom Waits bis Joe Strummer in seinen Filmen tummeln, ist „Gimme Danger“nach „Year Of The Horse“(einer Hommage an Neil Youngs Band Crazy Horse) der erst zweite explizite Musikfilm Jarmuschs. Er erzählt die verwinkelt­e Bandgeschi­chte strikt aus der Perspektiv­e ihrer Mitglieder, unterbrich­t die obligatori­schen Aufritts- und Interviews­equenzen öfters jäh. Gegen die trotzdem drohende Heiligspre­chung durch Jarmusch wehrt sich Iggy Pop im Abspann: „Ich wollte stets einfach nur ich sein.“

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