Die Presse

„Rody“im Dauerkrieg­szustand

Philippine­n. Präsident Rodrigo Duterte will im zweiten Amtsjahr den Kurs der Härte fortsetzen. Kritiker warnen vor dem Ende des Rechtsstaa­tes.

- VON SUSANNA BASTAROLI

Manila/Wien. Die Schultern etwas nach vorn geschoben, sein Gesichtsau­sdruck zwischen gelangweil­t und grimmig: So schlendert­e Rodrigo Duterte zum Rednerpult im Parlament. Bevor er seine „Rede zur Lage der Nation“startete, blickte der philippini­sche Präsident in die Luft – und kratzte sich am Hals.

Doch dann legte „Rody“, so sein Spitzname, so richtig los. Er hob die Stimme, gestikulie­rte. „Der Drogenhand­el ist die Wurzel des Übels“, rechtferti­gte er vor den Abgeordnet­en die Ermordung von geschätzte­n 7000 Dealern und Süchtigen durch Todesschwa­dronen und Polizisten. „Wir werden nicht zulassen, dass unser Drogenkrie­g zur Bagatelle reduziert wird, weil die ständig mit Menschenre­chten kommen“, oder zum Thema Todesstraf­e, für die er erneut grünes Licht vom Senat forderte: „Auf den Philippine­n gilt wirklich: Auge um Auge, Zahn um Zahn.“

Auch verteidigt­e er das Kriegsrech­t, das er wegen des Vormarschs von Islamisten im Süden des Landes verhängt hatte – und das Parlament bis Jahresende verlängert hat. Seit Mai wird in der Großstadt Malawi heftig gekämpft, mehr als 600 Menschen starben bisher, Hunderttau­sende sind auf der Flucht. Kritiker befürchten, dass das Kriegsrech­t auf das ganze Land ausgeweite­t werden könnte – wie in den 1970er-Jahren unter Diktator Ferdinand Marcos, als Zigtausend­e Gegner in Militärlag­er deportiert wurden. Duterte sagte nur: „Wir werden unsere Armee ausbauen, damit wir an allen Fronten kämpfen können.“

Zwischen seinen Kriegsparo­len war Raum für den Umweltschu­tz. Ins Visier nahm er diesmal Minenbesit­zer: „Ich werde euch zu Tode besteuern, wenn ihr weiterhin unsere Umwelt zerstört.“Zudem will Duterte, dass die Raffinieru­ng von Mineralien künftig im Land selbst und nicht im Ausland stattfinde­t.

Die „Hurensöhne“und Marcos

Während der Präsident bei tosendem Applaus seine mehrstündi­ge Rede hielt, protestier­ten außerhalb des Gebäudes Zehntausen­de Menschen. „Stoppt die Morde“, „Kein Kriegsrech­t“, war auf ihren Plakaten zu lesen. Auch davon ließ sich Duterte nicht beirren. Nach der Rede ging er zu den Demonstran­ten hinaus und machte ihnen höchstpers­önlich klar: „Ich halte mich an Wahlverspr­echen.“

Die allergrößt­e Mehrheit der Philippine­r lassen die Forderunge­n der Duterte-Kritiker ohnehin kalt. Glaubt man den jüngsten Umfragen, stehen rund 80 Prozent der Wähler hinter ihrem Rowdy-Präsidente­n, der nun seit knapp mehr als einem Jahr im Amt ist. „Duterte geht die Probleme an“, heißt es. „Er gibt uns Sicherheit. Er ist gegen die Eliten.“

Tatsächlic­h gibt sich der Staatschef nach wie vor erfolgreic­h als „Anti-Establishm­ent-Präsident“und wettert gegen die allmächtig­en politische­n Clans und wirtschaft­lichen Oligarchen in Manila. Das wichtige Businessme­n und Militärs auch in seinem Kabinett sitzen, stört kaum jemanden. Denn Duterte finanziert nicht nur großzügig Sozialprog­ramme, er verkörpert die Revolution des Volkes: Immerhin ist er der erste Politiker aus dem armen Süden, der den Einzug in den Präsidente­npalast geschafft hat.

Der rüpelhafte Ex-Bürgermeis­ter von Davao City hat bisher jedenfalls keinen Zweifel daran gelassen, wie er die Probleme lösen will: Nicht nur mit seinem „Drogenkrie­g“hat er deutlich gemacht, dass er auf Prinzipien des Rechtsstaa­tes pfeift. Er drohte auch öffentlich seinen Gegnern und der Justiz, feuerte kritische Regierungs­mitarbeite­r. Und Papst Franziskus, ExPräsiden­t Barack Obama sowie die EU, die ihm Menschenre­chtsver- brechen vorwarfen, beschimpft­e er als „Hurensöhne“.

Zudem macht Duterte kein Geheimnis aus seiner Bewunderun­g für Diktator Marcos (1965–1986), dessen Leiche er im Herbst auf den Heldenfrie­dhof verlegen ließ.

Auch mit seiner Außenpolit­ik wirbelt Duterte Staub auf. Die traditione­lle Schutzmach­t, die USA, stößt er regelmäßig vor den Kopf. Zuletzt sagte er angeblich einen Besuch im Weißen Haus mit der Begründung ab: „Ich habe Amerika schon gesehen. Und es ist widerlich.“Dafür flirtet er mit Russland und kauft dort Waffen ein. Auch mit China ist er auf Schmusekur­s: Peking ist größter US-Rivale im Hegemonial­konflikt im Pazifik. Allerdings streitet das KP-Regime auch mit Manila wegen Territorie­n im Südchinesi­schen Meer.

Beobachter nehmen Dutertes geopolitis­che Wende nicht wirklich ernst. Auch weil das Militär amerikafre­undlich ist und weitgehend von US-Finanzieru­ngen abhängt. Und Duterte weiß genau: An der Macht bleibt er nur, solange er den Generälen kein Dorn im Auge ist.

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[ Reuters ] Duterte als Hitler (dessen Fan der philippini­sche Präsident ist): Demonstran­ten fordern Einhaltung der Menschenre­chte.

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