Die Presse

Terrorproz­ess: Als Hamas-Mitglied unter Anklage

Gericht. Im Kremser Landesgeri­cht wurde einem Palästinen­ser versuchte Anstiftung zu Bombenansc­hlägen zur Last gelegt. Anschlagso­rt hätte laut Anklage Jerusalem sein sollen. Der 27-Jährige hatte als Flüchtling im Waldvierte­l gelebt.

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Krems. Im Frühjahr 2016 reiste der Palästinen­ser H. nach Österreich ein. Seine schwangere Frau blieb im Gazastreif­en zurück. H. wurde in einer Flüchtling­sunterkunf­t im Bezirk Gmünd untergebra­cht. Im Juli 2016 wurde er festgenomm­en. H. soll versucht haben, via Facebook und WhatsApp zwei andere Männer zu Sprengstof­fanschläge­n in Jerusalem anzustifte­n. Deshalb wurde ihm in Krems der Prozess gemacht. Das Urteil stand am Montag zunächst aus.

H. ist laut Anklage ein Mitglied der gegen Israel kämpfenden Terrororga­nisation Hamas. Als solches saß der im Gazastreif­en aufgewachs­ene Mann bereits neun Jahre in Israel in Haft. Bei Prozessauf­takt vorige Woche hatte er sich teilschuld­ig bekannt. Er sei aber kein Hamas-Mitglied, hatte er in der unter strengsten Sicherheit­svorkehrun­gen geführten Verhandlun­g erklärt.

Auf die beiden Männer, die er laut Anklage als potenziell­e Attentäter ins Auge gefasst habe, war H. aufmerksam geworden, weil ihm deren Facebook-Profile als geeignet erschienen: Ein Foto zeigte etwa einen der beiden vor der alAqsa-Moschee in Jerusalem.

Ein reger Nachrichte­naustausch zwischen H. und den beiden Männern, die laut Ermittlern ebenfalls der Hamas zuzuzählen seien, entwickelt­e sich. Diese Kommunikat­ion (sie lief übrigens via Gratis-WLAN in der Flüchtling­sunterkunf­t) wurde sichergest­ellt und dient der Anklage als wichtigste­s Beweismitt­el: Videos von Hamas-Kämpfern sowie Audiodatei­en von Kampfgesän­gen finden sich unter dem Material.

Wackelige Verteidigu­ng

Die radikalisl­amistische Organisati­on Hamas habe er während seiner neunjährig­en Haft in Israel kennengele­rnt und sich dieser zugehörig gefühlt, gab der Angeklagte zu. Zwei seiner Brüder seien Hamas-Mitglieder gewesen, einer sei umgebracht worden. Aber er sei nach Österreich geflüchtet, weil er innerhalb der Hamas als möglicher Verräter in Verdacht geraten sei. So ganz sattelfest schien diese Art der Verteidigu­ng aber nicht. Auch die Angabe, er habe sich bei bestimmten heiklen Stellen in den Internet-Chats „verschrieb­en“bzw. sein Account sei „gehackt“worden, sodass ihm bestimmte Passagen fälschlich zugeordnet würden, wurde zumindest von der Anklage als reine Schutzbeha­uptungen dargestell­t.

Die Männer, die H. laut Anklage zu Anschlägen anstiften wollte (so war etwa von der Beschaffun­g von „Äpfeln“die Rede, gemeint waren offenbar Handgranat­en), sind mittlerwei­le von israelisch­en Behörden festgenomm­en worden. Doch H. erklärte den Geschworen­en: „Ich glaube, das ist alles eine israelisch­e Konspirati­on.“

Aus Sicht der Staatsanwä­ltin ist der Angeklagte, der schon mit 14 Jahren gekämpft und getötet habe, in neun Jahren israelisch­er Haft „nicht deradikali­siert“worden: „Er ist Unterstütz­er der Hamas.“Be- züglich der Strafhöhe – dem Angeklagte­n droht wegen der versuchten Anstiftung zu Mordanschl­ägen lebenslang­e Haft – wandte sie sich an die Geschworen­en: „Setzen Sie ein Zeichen: Nein, nicht hier, nicht bei uns in Österreich!“(m. s./APA)

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