Einloggen, abbuchen, einziehen, ausziehen
Digitalisierung. Immer mehr Hotels bieten ihren Gästen eigene Apps, mit denen sich – fast – alles ohne Kontakt zum Personal erledigen lässt. An der Rezeption bleibt dann mehr Zeit für Tipps, Hilfe und Auskünfte.
Was auf den Flughäfen bereits gang und gäbe ist, erreicht inzwischen auch die Hotels: Alles geht per App. Statt anzustehen, einzuchecken und der Dame oder dem Herrn Rezeptionisten freundlich ein Zimmer fernab vom Lift abzuschwatzen, loggt man sich in seine Buchung ein, sucht sich sein Zimmer aus und bekommt den elektronischen Schlüssel für den Check-in aufs Handy gesendet. Und das sind nur die Anfänge: Längst können hoteleigene Apps auch von Geschäftskunden genutzt werden, denen es im Meetingraum zu kalt oder zu warm ist, denn die Klimaanlage lässt sich darüber bedienen. Und wenn ein Beamer gebraucht wird, ist er elektronisch schnell geordert, ohne dass ein Wort – möglicherweise in einer fremden, schlecht beherrschten Sprache – mit dem Personal gewechselt werden muss.
Vorreiter auf dem Gebiet sind die großen US-amerikanischen Hotelketten, die wahlweise allen oder zumindest ausgewählten Kunden diese Services schon seit einer Weile anbieten. So haben etwa die Starwood-Kette – zu der unter anderen Marriott, Hilton, Hyatt, Ritz Carlton, Four Seasons und Le Meridien gehören – sowie IHG mit den Crowne Plazas, Intercontinental und Holiday Inns diese Angebote in ihrem Programm. Und ermöglichen es ihren Gästen zumindest in den USA, von der Auswahl des Zimmers bis zum Bringen einer Zahnbürste alles per App erledigen zu können.
Österreich noch am Anfang
In Österreich sind diese Möglichkeiten noch nicht flächendeckend angekommen, was unter anderem auch mit den damit verbundenen Kosten zusammenhängen dürfte. Denn um etwa völlig autark online einchecken zu können und nicht einmal mehr einen Schlüssel an der Rezeption abholen zu müssen, braucht es entsprechende Lesegeräte für die Handys an jeder Zimmertür. Dies erfordert ein gröberes Umrüsten, das aber einige der großen Hotels, die zu den US-Ketten gehören, bereits planen. „Die Installation der neuen Schlösser ist ein Schritt, den wir gern machen wollen“, berichtet Jasmina Brahimi, Marketing Communications Manager des Vienna Marriott Hotel. Geplant sind entsprechende Adaptierungen für das Frühjahr kommenden Jahres, bis dahin müssen sich die Gäste noch gedulden.
Bereits seit 2015 können dagegen die Gäste des Hotels Schani komplett digital ein- und auschecken. Das Haus am Hauptbahnhof war das erste in Wien, das sich
Check-in-App. Online buchen, einchecken, auschecken und bezahlen: Hotel-Apps machen den Aufenthalt ganz ohne menschlichen Kontakt möglich – Zimmerservice und die vergessene Zahnbürste inklusive. In den USA arbeiten die großen Hotelketten bereits an der Implementierung der Systeme inklusive neuer Zimmerschlösser, die sich per Handy öffnen lassen. In Österreich sind derzeit nur vereinzelte Vorreiter des digitalen Herbergswesens wie etwa das Hotel Schani in Wien erfolgreich. ganz auf die neuen Bedürfnisse eingestellt hatte. „Wir sind angetreten, um diese Abläufe aufzubrechen, und haben uns an der Flugbranche orientiert“, berichtet Geschäftsführer Benedikt Komarek. „Dort ist es ja seit zehn Jahren durchaus üblich, kein Papierticket mehr zu haben. Die Hotellerie hinkte immer ein bisschen hinterher.“Mit der Eröffnung des Schani hat Komarek das zumindest im Budgetbereich geändert: Wer hier bucht, kann es direkt über die Hotel-App oder eines der gängigen Portale tun und bekommt 48 Stunden vor Anreise eine Pre-Check-inInfo, mit der Bitte, fehlende Daten zu vervollständigen; auch die Zimmerkosten werden mit dem Ende der Stornofrist von der angegebenen Kreditkarte abgebucht. Am Tag der Anreise kommt der „Schlüssel“direkt aufs Handy, sobald das Zimmer bezugsfertig ist; dieser kann an den oder die Mitreisenden weitergeleitet werden, sodass alle unabhängig voneinander Zugang zum Zimmer haben. Ein Ablauf, der das Auschecken im herkömmlichen Sinn überflüssig macht, da ja weder ein Schlüssel retourniert noch eine Rechnung bezahlt werden muss. „Das System wurde relativ schnell gut angenommen und hat sich weiter gesteigert“, berichtet Komarek. Und es kann auch zur Steuerung des Buchungsverhaltens genutzt werden: Denn wie die meisten Hoteliers freut er sich über Buchungen, die direkt über die eigene Website oder App und nicht über ein Portal getätigt werden. Weshalb jene Kunden, die das machen, die Möglichkeit haben, sich bei der Buchung ein ganz konkretes Zimmer auf den Etagenplänen auszusuchen. „Das bieten wir nur unseren Gästen an, die direkt buchen – zurzeit 25 Prozent. Von denen sich wiederum 80 Prozent auch ihr Zimmer aussuchen“, erklärt der Hotelier.
Keine seelenlose Herberge
Eine seelenlose Herberge ist das Hotel aber trotz all der Möglichkeiten, ohne direkten menschlichen Kontakt ein- und wieder auszuziehen, nicht. „Wir wollen absolut kein Automatenhotel sein“, betont Komarek, „bei uns hat der Rezeptionist einfach mehr Zeit, sich um die Dinge zu kümmern, für die sonst in günstigen Stadthotels oft keine Zeit bleibt, weil er mit der Dateneingabe beschäftigt ist.“Dazu gehören Fragen, wo man gut essen kann oder wie man zu welchem Museum kommt, die im Schani an der großen Bar in der Lobby, die auch als Rezeption dient, beantwortet werden. Natürlich checken auch hier immer noch jede Menge gern gesehener Gäste ganz normal ein und bekommen eine Zimmerkarte.
Genau in dieser Duplizität liegt für Peter Zellmann, Leiter des Instituts für Freizeit- und Tourismusforschung, zukünftig der Schlüssel zum Erfolg. „Die Digitalisierung ist ein Werkzeug, wir müssen lernen, damit umzugehen“, so der Forscher. Denn Apps könnten nicht die Menschen hinter der Dienstleistung ersetzen, aber sehr wohl durch die Entlastung des Personals mehr Zeit für den direkten Kontakt schaffen. „Im Sowohl-als-auch liegt die Lösung der Zukunft, die Digitalisierung ermöglicht eine höhere Individualisierung“, sagt Zellmann. „Manche sind froh, wenn sie niemanden sehen, andere legen umso mehr Wert darauf.“