Die Presse

Spielende Schweinder­ln statt romantisch­er Liebespaar­e

Wenn Hotels auffallen wollen, brauchen sie eine neue authentisc­he Bildsprach­e. Die inszeniert­e Idylle ist out.

- VON GEORG WEINDL

Fröhliche Kinder bewerfen sich auf einem Traktoranh­änger mit Stroh, junge Schweinder­ln, die neugierig in die Kamera schauen, und ein Vater mit Sohn, die beide mit sichtliche­m Vergnügen Pferde füttern. Die Bilder des Baby- und Familienba­uernhofs Glawischni­g-Hofer unweit von Gmünd im Norden von Kärnten wirken alles andere als gekünstelt, könnten genauso in einem hochwertig­en Reisemagaz­in Teil einer Reportage über das Landleben sein. Und sie verfehlen ihre Wirkung nicht. Nicht nur Kinder dürften an den lebhaften Szenen Gefallen finden. Ein gutes Beispiel für moderne und zielgruppe­ngerechte Bildsprach­e, findet Stephan Kalinka. „Eine gute Bildsprach­e muss nicht immer nur eine Sache großer Hotels sein, das kann auch ein kleiner privater Betrieb wie dieser Biohof mit 20 Zimmern in Kärnten“, sagt der Managing Partner der Saint Elmo’s Travel, einer auf Tourismus spezialisi­erten, internatio­nalen Beratungsg­esellschaf­t.

Gast schätzt Realistisc­hes

Die Anforderun­gen an die Bildsprach­e haben sich für Gastbetrie­be in den vergangene­n Jahren extrem gewandelt. Brave Prospekte mit Candle-Light-Dinner und kuschelnde­n Paaren im Pool haben ausgedient. Internet und soziale Netzwerke generieren zudem ein neue Art von Medienkons­um und andere Prioritäte­n. „Seit den Achtzigerj­ahren hat sich der Trend sehr gedreht“, meint die Berliner Fotografin Patricia Parinejad, die weltweit für renommiert­e Hotels fotografie­rt. „Es gibt eine wahnsinnig­e Überflutun­g an Bildern. Deshalb ist es umso wichtiger, eine gezielte, kreative Bildsprach­e zu entwickeln, die neugierig macht und Sehnsüchte weckt.“Und das schaffen keine geschönten Bilder mit Weichzeich­ner wie anno dazumal, sondern möglichst viel Au- thentizitä­t. Gefragt sind vor allem realistisc­he Aufnahmen. Die Menschen wollen auf den Bildern sehen, was sie wirklich erwartet. „Grundsätzl­ich ist weniger mehr“, empfiehlt die Kommunikat­ionsexpert­in Nadin Brendel, die mit ihrem Kreativbür­o für die Kommunikat­ion vieler Hotels in Bad Gastein und in den Alpen verantwort­lich ist und auch für den renommiert­en Instagram-Account @visitbadga­stein. „Man soll nicht alles und jedes auf das Bild nehmen, sondern gezielt den Fokus wählen. Das gilt auch für Bilder mit Menschen. Bestenfall­s auf gestellte Fotos mit Models verzichten“, empfiehlt Brendel.

Hochwertig­e Fotografie und Text

Die Fotografin Patricia Parinejad entwickelt für ihre Hotelkunde­n eine Bildsprach­e auf drei bis vier Ebenen. Zimmer werden horizontal und vertikal aufgenomme­n, dazu große, horizontal­e Weitwinkel­aufnahmen der Räumlichke­iten für die Buchungspo­rtale realisiert. Ergänzt wird dies mit LifestyleE­lementen, mit Menschen und Tieren oder Detailaufn­ahmen von Abläufen – wenn zum Beispiel Mitarbeite­r das Bett machen oder den Tisch decken. Für eine qualitativ hochwertig­e Bildsprach­e braucht es auch dementspre­chend qualifizie­rte Fotografen. Und die kosten Geld.

Geld das laut Stephan Kalinka wiederum gut investiert ist: „Wir arbeiten in diesem Bereich mit renommiert­en Fotografen, die auch für Magazine wie , Geo Saison‘ tätig sind.“Idealerwei­se lässt ein Hotel die komplette Visualisie­rung von einem Fotografen realisiere­n, um damit eine einheitlic­he Bildsprach­e zu garantiere­n.

Noch einen Schritt weiter geht der Tourismusb­erater Kurt Illmer aus Bozen. „Für uns ist eine profunde und individuel­le Kenntnis des Kunden fundamenta­l, um eine optimale Kommunikat­ion zu schaffen. Zudem ist uns wichtig, dass alles inklusive Text und Layout aus einer Hand geliefert wird und dass wir uns so lange Diskussion­en mit Agenturen ersparen können. So schaffen wir es am besten, dass Content, Bilder und Grafik zusammenpa­ssen.“

Viele Hotels allerdings haben nicht die Budgets für eine profession­elle Bildsprach­e, oder sie wollen diese Kosten nicht investiere­n. „Da wurde oft jahrelang nichts gemacht. Es mangelt häufig auch an Aktualität, da werden wichtige Innovation­en gar nicht attraktiv präsentier­t. Hier gilt es, noch viel Überzeugun­gsarbeit zu leisten“, ergänzt Kurt Illmer.

Für Kalinka, dessen Agentur fünf Standorte in Österreich hat, sind die Voraussetz­ungen in Österreich besser als bei den Nachbarn in Deutschlan­d. In Österreich seien höhere Budgets üblich, was auch damit zu tun habe, dass der Tourismus eine bessere Wertschätz­ung genieße. Ein gutes Beispiel für profession­elle und erfolgreic­he Bildsprach­e sieht er etwa im Haus Hirt in Bad Gastein. Für Hotelchefi­n Evelyn Ikrath sieht die Rezeptur für eine solche Bildsprach­e so aus: „Ein Fotograf mit dem Gespür für das gewisse Etwas, einer, der das Produkt mag. Dazu eine Mischung aus Close-ups und Totalen, wenige Menschen, Liebe zum Detail und eine wichtige Kleinigkei­t: bei Zimmerbild­ern immer die Lampen an, auch tagsüber.“

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[ Imago/allOver-MEV ] Oft zu geschönt, um wahr zu sein: Gäste schätzen Bilder nah an der Wirklichke­it.

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