Die Presse

„Was für eine Paranoia gegenüber Frauen!“

Premiere. „Ich fand schon immer alles magisch am Theater“, sagt Franziska Hackl. Ab heute, Freitag, spielt sie im Wiener Akademieth­eater in Simon Stones „Hotel Strindberg“. Ein Gespräch über grausige Mütter – und den Vater, den sie vermisst.

- VON BARBARA PETSCH

Die Presse: Fotos von Strindberg zeigen einen feschen Mann, der auch heute gefallen könnte. Doch er war ein Blaubart. Franziska Hackl: Auf den Bildern sieht Strindberg sehr kühl und distanzier­t aus. Was er schrieb und was er empfunden haben dürfte, war hitzig. Man muss in seinem Werk nicht tief graben, um auf große Wut zu stoßen. Er übte Sozialkrit­ik, hatte zugleich aber eine wahnsinnig­e Paranoia gegenüber Frauen. Wir haben uns mit seiner Autobiogra­fie „Plädoyer eines Irren“beschäftig­t. Unglaublic­h, was da zu lesen steht.

Strindberg suchte immer nach einer Madonna und einer Mutter, verliebt hat er sich aber in eher moderne Frauen. Und mit ihnen ist er dann nicht zurechtgek­ommen. Gibt es heute noch solche Kerle? Man sieht jetzt viele Väter mit Babys. Man kann ja ein Baby tragen und zugleich ein Patriarch sein. Oder später wieder einer werden. Vieles ist heute immer noch so wie zu Strindberg­s Zeiten.

Warum sind die „Kammerstüc­ke“, zu denen auch bekannte Werke wie „Gespenster­sonate“, „Der Vater“oder „Der Pelikan“gehören, ins Hotel übersiedel­t? Ein Hotel ist ein Ort, an dem die Leute nebeneinan­derher leben. Sie kommen aus unterschie­dlichen Gründen und in unterschie­dlichen Konstellat­ionen. Das Hotel vereint alle unsere Geschichte­n.

Bei Strindberg gibt es oft auch eine mystische Komponente. Ja. In der „Gespenster­sonate“und in „Nach Damaskus“. Strindberg hat das moderne Stationend­rama erfunden und baut lose nebeneinan­derstehend­e Handlungss­tränge.

Im „Pelikan“tritt eine ganz grausame Mutter auf. Wie aus einer griechisch­en Tragödie. Gibt es solche Mütter heute? Wir haben darüber nachgedach­t, wie eine solche Mutter heute wäre. Sie werden es sehen. Diese Mutter in „Der Pelikan“ist in der Tat grauenhaft, sie gibt ihren Kindern nicht einmal genug zu essen, sie lässt sie frieren. Und sie hat eine Affäre mit ihrem Schwiegers­ohn. Schlimmer geht’s nicht.

Strindberg war ein Exhibition­ist. Heute, in Zeiten von „Big Brother“, würde er mit seinen Bekenntnis­sen weniger auffallen. Für seine Zeit war Strindberg auf jeden Fall ein Pionier. Was er geschriebe­n hat und wie, das hat vor ihm keiner geschriebe­n, so schonungsl­os und ungehemmt.

Simon Stone schreibt Klassiker und Stücke, die er inszeniert, neu. Warum? Es geht ihm nicht darum, Werke zwanghaft zu modernisie­ren. Simon Stone bringt die Stücke in einen Kontext, der nah mit uns zu tun hat. Wir leben nicht in Russland vor hundert Jahren wie Tschechows „Drei Schwestern“, aber wir haben noch immer ihre Empfindung­en. Mit seinen Stückübers­chreibunge­n schlägt er die Brücke von einst ins heute, ohne Handlung oder Motive zu verraten.

Wird improvisie­rt? Oder müssen Sie diese Texte, die so flüssig klingen wie Alltagsspr­ache oder Comedy auswendig lernen? Jeder Satz ist einstudier­t. Da ist nichts improvisie­rt, auch wenn es so aussieht. Wenn wir Schauspiel­er das improvisie­ren könnten, so pointiert und voller emotionale­r Ausbrüche, dann wären wir genial.

Sie sind die Tochter der Burgschaus­pieler Karlheinz Hackl und Brigitta Furgler. Ist es leichter oder schwierige­r, im Theater Karriere zu machen, wenn man aus einer berühmten Familie stammt? Allgemein kann ich das nicht beantworte­n. Meine Eltern haben mich immer in allem unterstütz­t, ich glaube, sie hätten das auf jedem Weg getan. Der Wunsch zu spielen ist erst mit der Zeit gewachsen. Ich interessie­re mich für Menschen, dafür, wie sie funktionie­ren. Das hat mich zum Theater gebracht.

Was waren frühe Theatererl­ebnisse? Mit fünf oder sechs Jahren war ich erstmals im Burgtheate­r und habe „Vom dicken Schwein, das dünn werden wollte“von Jerome Savary mit Heinz Zuber gesehen.

Waren Sie auch backstage? Ich bin nicht in Garderoben aufgewachs­en, wenn Sie das meinen. Natürlich fand ich alles im Theater immer schon magisch, die Bühne, die Garderoben, die Werkstätte­n.

Wie ist das, wenn man dem eigenen Vater beim Spielen zusieht? Ich habe ihn natürlich sehr oft gesehen. Und es ist sehr merkwürdig, ihn nicht mehr auf der Bühne zu sehen. Mehr möchte ich dazu nicht sagen.

Sie spielen auch in Krimis. Früher war das verpönt, heute ist es gang und gäbe, dass Leute auf der Bühne stehen und drehen. Bei mir kam der Wunsch, Theater zu spielen vor dem Wunsch, Film und Fernsehen zu machen. Aber ich empfinde es als Privileg und absolut wünschensw­ert, beides tun zu können. Und es geht ja öfter das eine in das andere über. Über Simon Stone sagt man, sein Theater habe etwas Filmisches. Allerdings: Nichts kann Theater ersetzen.

Wie waren Sie als Kind? Wild? Ich würde mich als aufgeweckt und temperamen­tvoll beschreibe­n. Ich bin gern zur Schule gegangen, auch wenn ich öfter mit Lehrern unzufriede­n war und disziplina­rische Probleme hatte. Mit 16 Jahren hätte ich sicher etwas anderes gesagt, aber rückblicke­nd sieht man eben vieles anders.

Was haben Sie als Kind gespielt? Mit Barbiepupp­en oder Räuber und Gendarm? Ich kann mich nicht an Gender-Entscheidu­ngen erinnern. Barbiepupp­en ja, Räuber auch, Rollenspie­le vor allem.

Sie sind nicht am Burgtheate­r engagiert, Sie spielen nur in dieser Koprodukti­on der Burg mit dem Basler Schauspiel­haus. Wie ist Basel? Besser als Wien? Basel ist eine aufgeschlo­ssene Stadt, durch das Dreiländer­eck mit Frankreich und Deutschlan­d. Es ist eine sehr schöne Stadt. Es ist spannend für mich, dort zu arbeiten. Aber ich bin jetzt auch sehr gern in Wien.

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[ Mich`ele Pauty ] „Ich würde mich als aufgeweckt und temperamen­tvoll beschreibe­n“, sagt Franziska Hackl.

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