„Was für eine Paranoia gegenüber Frauen!“
Premiere. „Ich fand schon immer alles magisch am Theater“, sagt Franziska Hackl. Ab heute, Freitag, spielt sie im Wiener Akademietheater in Simon Stones „Hotel Strindberg“. Ein Gespräch über grausige Mütter – und den Vater, den sie vermisst.
Die Presse: Fotos von Strindberg zeigen einen feschen Mann, der auch heute gefallen könnte. Doch er war ein Blaubart. Franziska Hackl: Auf den Bildern sieht Strindberg sehr kühl und distanziert aus. Was er schrieb und was er empfunden haben dürfte, war hitzig. Man muss in seinem Werk nicht tief graben, um auf große Wut zu stoßen. Er übte Sozialkritik, hatte zugleich aber eine wahnsinnige Paranoia gegenüber Frauen. Wir haben uns mit seiner Autobiografie „Plädoyer eines Irren“beschäftigt. Unglaublich, was da zu lesen steht.
Strindberg suchte immer nach einer Madonna und einer Mutter, verliebt hat er sich aber in eher moderne Frauen. Und mit ihnen ist er dann nicht zurechtgekommen. Gibt es heute noch solche Kerle? Man sieht jetzt viele Väter mit Babys. Man kann ja ein Baby tragen und zugleich ein Patriarch sein. Oder später wieder einer werden. Vieles ist heute immer noch so wie zu Strindbergs Zeiten.
Warum sind die „Kammerstücke“, zu denen auch bekannte Werke wie „Gespenstersonate“, „Der Vater“oder „Der Pelikan“gehören, ins Hotel übersiedelt? Ein Hotel ist ein Ort, an dem die Leute nebeneinanderher leben. Sie kommen aus unterschiedlichen Gründen und in unterschiedlichen Konstellationen. Das Hotel vereint alle unsere Geschichten.
Bei Strindberg gibt es oft auch eine mystische Komponente. Ja. In der „Gespenstersonate“und in „Nach Damaskus“. Strindberg hat das moderne Stationendrama erfunden und baut lose nebeneinanderstehende Handlungsstränge.
Im „Pelikan“tritt eine ganz grausame Mutter auf. Wie aus einer griechischen Tragödie. Gibt es solche Mütter heute? Wir haben darüber nachgedacht, wie eine solche Mutter heute wäre. Sie werden es sehen. Diese Mutter in „Der Pelikan“ist in der Tat grauenhaft, sie gibt ihren Kindern nicht einmal genug zu essen, sie lässt sie frieren. Und sie hat eine Affäre mit ihrem Schwiegersohn. Schlimmer geht’s nicht.
Strindberg war ein Exhibitionist. Heute, in Zeiten von „Big Brother“, würde er mit seinen Bekenntnissen weniger auffallen. Für seine Zeit war Strindberg auf jeden Fall ein Pionier. Was er geschrieben hat und wie, das hat vor ihm keiner geschrieben, so schonungslos und ungehemmt.
Simon Stone schreibt Klassiker und Stücke, die er inszeniert, neu. Warum? Es geht ihm nicht darum, Werke zwanghaft zu modernisieren. Simon Stone bringt die Stücke in einen Kontext, der nah mit uns zu tun hat. Wir leben nicht in Russland vor hundert Jahren wie Tschechows „Drei Schwestern“, aber wir haben noch immer ihre Empfindungen. Mit seinen Stücküberschreibungen schlägt er die Brücke von einst ins heute, ohne Handlung oder Motive zu verraten.
Wird improvisiert? Oder müssen Sie diese Texte, die so flüssig klingen wie Alltagssprache oder Comedy auswendig lernen? Jeder Satz ist einstudiert. Da ist nichts improvisiert, auch wenn es so aussieht. Wenn wir Schauspieler das improvisieren könnten, so pointiert und voller emotionaler Ausbrüche, dann wären wir genial.
Sie sind die Tochter der Burgschauspieler Karlheinz Hackl und Brigitta Furgler. Ist es leichter oder schwieriger, im Theater Karriere zu machen, wenn man aus einer berühmten Familie stammt? Allgemein kann ich das nicht beantworten. Meine Eltern haben mich immer in allem unterstützt, ich glaube, sie hätten das auf jedem Weg getan. Der Wunsch zu spielen ist erst mit der Zeit gewachsen. Ich interessiere mich für Menschen, dafür, wie sie funktionieren. Das hat mich zum Theater gebracht.
Was waren frühe Theatererlebnisse? Mit fünf oder sechs Jahren war ich erstmals im Burgtheater und habe „Vom dicken Schwein, das dünn werden wollte“von Jerome Savary mit Heinz Zuber gesehen.
Waren Sie auch backstage? Ich bin nicht in Garderoben aufgewachsen, wenn Sie das meinen. Natürlich fand ich alles im Theater immer schon magisch, die Bühne, die Garderoben, die Werkstätten.
Wie ist das, wenn man dem eigenen Vater beim Spielen zusieht? Ich habe ihn natürlich sehr oft gesehen. Und es ist sehr merkwürdig, ihn nicht mehr auf der Bühne zu sehen. Mehr möchte ich dazu nicht sagen.
Sie spielen auch in Krimis. Früher war das verpönt, heute ist es gang und gäbe, dass Leute auf der Bühne stehen und drehen. Bei mir kam der Wunsch, Theater zu spielen vor dem Wunsch, Film und Fernsehen zu machen. Aber ich empfinde es als Privileg und absolut wünschenswert, beides tun zu können. Und es geht ja öfter das eine in das andere über. Über Simon Stone sagt man, sein Theater habe etwas Filmisches. Allerdings: Nichts kann Theater ersetzen.
Wie waren Sie als Kind? Wild? Ich würde mich als aufgeweckt und temperamentvoll beschreiben. Ich bin gern zur Schule gegangen, auch wenn ich öfter mit Lehrern unzufrieden war und disziplinarische Probleme hatte. Mit 16 Jahren hätte ich sicher etwas anderes gesagt, aber rückblickend sieht man eben vieles anders.
Was haben Sie als Kind gespielt? Mit Barbiepuppen oder Räuber und Gendarm? Ich kann mich nicht an Gender-Entscheidungen erinnern. Barbiepuppen ja, Räuber auch, Rollenspiele vor allem.
Sie sind nicht am Burgtheater engagiert, Sie spielen nur in dieser Koproduktion der Burg mit dem Basler Schauspielhaus. Wie ist Basel? Besser als Wien? Basel ist eine aufgeschlossene Stadt, durch das Dreiländereck mit Frankreich und Deutschland. Es ist eine sehr schöne Stadt. Es ist spannend für mich, dort zu arbeiten. Aber ich bin jetzt auch sehr gern in Wien.