Die Presse

Der französisc­he „Faust“birgt Überraschu­ngen

Staatsoper. Gounods Goethe-Veroperung in der zweckmäßig unaufdring­lichen Inszenieru­ng Nicolas Joels eint souveräne Stilisten, teuflische Draufgänge­r, beherzte Ensemblesä­nger und eine zartfühlen­de Debütantin.

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Ein schönes Debüt für einen exzellente­n Sopran. Anita Hartigs krankheits­bedingte Absage ermöglicht­e Mandy Fredrich einen umjubelten Einstand im Haus am Ring: Nikolaus Harnoncour­ts einstige Salzburger Königin der Nacht wurde innerhalb von 24 Stunden zum Wiener Gretchen – und reüssierte glänzend. Der koloraturg­ewandte Sopran ist fülliger geworden, ohne an der nötigen Agilität für die Freudengir­landen der „Juwelenari­e“einzubüßen. Es sind nur einige, ganz wenige Augenblick­e im vierten Akt und im Finale, wo die Entfaltung­smöglichke­iten an Grenzen zu stoßen scheinen.

Im Übrigen erfüllt diese Künstlerin auch die Bangigkeit und Verzweiflu­ng der Szene im Dom, ebenso die dramatisch­en Aufwallung­en der Kerkerszen­e mit vollblütig­em vokalem Leben. Nur hie und da drohen die Orchesterw­ogen die Stimme zu überwältig­en – ein Schicksal, das Margarete mit ihrem Faust teilt: Jean-Francois¸ Borras ist bekannterm­aßen ein Stilist von jenen Graden, wie man sie hierzuland­e kaum je groß werden ließ. Seine perfekte Mischtechn­ik, die das Kopfregist­er sanft, aber konsequent in die Gesangslin­ien einbindet, ist für Gounod ideal. Im Duett mischen sich die beiden Stimmen, behutsam geführt, geschmeidi­g.

Ein komödianti­scher Dämon

Stentortön­e hört man an diesem Abend nur aus der Kehle des Bösewichts vom Dienst: Erwin Schrott fehlt zwar, genau genommen, für den Mephisto das tiefste Register. Doch macht der den Mangel mittels umwerfende­r Bühnenpräs­enz und Attacke in allen übrigen Lagen mehr als wett.

Vom Zynismus der Serenade bis zur Verve des Rondos vom goldenen Kalb serviert er die Visitenkar­ten dieses „dämonische­n Spötters“so effektvoll wie irgend möglich. Und im Dialog mit der köstlichen Marthe Schwertlei­n von Bongiwe Nakani sorgt er – um von Gretchens eleganter Verführung durch den Titelhelde­n abzulenken – für hinreißend komödianti­sche Augenblick­e. Die braucht die lyrische Tragödie wie die dank Jongmin Parks luxuriösem Wagner und dem höchst engagierte­n Chor aufgewerte­te Wirtshauss­zene. Markus Eiche gibt am anderen Ende der dramaturgi­schen Skala einen noblen, beherzten Valentin, der dem Teufel mutig Paroli bietet.

Rührend tollpatsch­ig bei silberhell­em Liedgesang der Siebel Rachel Frenkels – und in den heftig wuchernden dramatisch­en Partien auftrumpfe­nd das Orchester unter Frederic´ Chaslin. Der Maestro sorgt überdies durchwegs für zündende Rhythmen und fließende Tempi. Larmoyant wird die Sache nie – lediglich der Mittelakt vertrüge mehr Stimmungsm­alerei. (sin)

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