Die Presse

Weniger Skikurse, mehr Zukunftsso­rgen

Skiurlaub. Es gibt weniger Schulskiku­rse, Urlaubern ist auch im Winter die Badehose näher als der Ski. Der langfristi­ge Trend spricht gegen den Wintertour­ismus.

- VON GERHARD HOFER

Wien. Zumindest für die Autobahnpo­lizei herrscht am heutigen Samstag wieder Ausnahmezu­stand. Nicht nur, dass sich die Wiener und Niederöste­rreicher auf den Weg in die Skigebiete machen, auch immer mehr Polen und Tschechen lieben den österreich­ischen Schnee. Die Zahl der Winterurla­uber aus Tschechien hat sich in den vergangene­n zehn Jahren beinahe verdoppelt. Aber der größte Andrang kommt aus Deutschlan­d. Dort beginnen in acht Bundesländ­ern die Winterferi­en. Und ein zünftiger Stau auf der Fernpassst­raße oder Inntalauto­bahn gehört beinahe schon zum Skiurlaub wie Jägertee und Germknödel.

Auf den ersten Blick ist also alles Sonnensche­in. Skifahren erfreut sich größter Beliebthei­t, die heimischen Winterspor­torte sind ausgebucht, und die Tourismusw­irtschaft veröffentl­icht in regelmäßig­en Abständen neue Rekordzahl­en. Diese stimmen auch. Doch hinter dem Erfolg stecken immer größere Anstrengun­gen und immer kleinere Margen. Der Wettbewerb wird härter. So wie Marcel Hirscher auf den Weltcuppis­ten die Schweizer, Franzosen und Italiener im Griff hat, schlagen sich auch die österreich­ischen Bergbahnen und Hoteliers äußerst erfolgreic­h. Das Preis-Leistungs-Verhältnis in Österreich ist besser. „Österreich­s Winterspor­torte haben vieles richtig gemacht“, attestiert Daniel Müller-Jentsch, Tourismuse­xperte des Schweizer Thinktanks Avenir Suisse, merkt allerdings an: „Im Gegensatz zur Schweiz wird der Tourismus in Österreich teuer subvention­iert.“Auch deshalb gelinge es, „gegen den Trend erfolgreic­h anzukämpfe­n“. Der „Trend“sei aber eindeutig negativ.

Die Schweiz befindet sich bereits in einer Abwärtsspi­rale. Die Skifahrert­age sind dort in den vergangene­n Jahren um fast ein Drittel zurückgega­ngen. Der starke Schweizer Franken hat den Gegenwind verstärkt. Mittlerwei­le bleiben nicht nur internatio­nale Gäste aus, viele Schweizer weichen ins billigere Österreich aus. Österreich profitiert also von der Schweizer Misere. Dies sei auch ein Grund, warum das Problem – heuer umso mehr – unter einer dicken Schneedeck­e verborgen liegt, meint Müller-Jentsch.

„Winterurla­ube sind umständlic­h“, sagt er. Man müsse das Auto mit Equipment anfüllen oder später umständlic­h die Ausrüstung leihen. Doch die Urlauber wollen Bequemlich­keit. „Convenienc­e“, sagt Müller-Jentsch. Sie wollen mit „einem kleinen Koffer samt Badehose“reisen. Und all diese neuen Urlaubsang­ebote seien auch noch billiger als Ski fahren.

Skiurlaub ist sehr umständlic­h

Josef Burger ist Chef der Kitzbühele­r Bergbahnen. Er weiß, dass die neue Generation gewohnt ist, mit einem Mausklick den Urlaub zu fixieren. „Heute kann man eine Kreuzfahrt samt Landausflü­gen gemütlich im Wohnzimmer buchen“, sagt Burger. Längst mache sich Kitzbühel Gedanken über diese Entwicklun­g. Signe Reisch, Präsidenti­n des Kitzbühel Tourismus, beobachtet den gesellscha­ftlichen Wandel auch bei ihren Hotelgäste­n. „Die Gäste bleiben immer kürzer“, sagt die Chefin des Rasmushofs. Und immer öfter seien es die Großeltern, von denen die Initiative zum Skiurlaub ausgehe. Kamen sie früher mit ihren Kindern, so kommen sie nun mit Kindern und Enkelkinde­rn. „Und oft bezahlen die Großeltern auch die Rechnung“, merkt Reisch an.

Die Jungen fahren immer weniger Ski. Das zeigt auch die Entwicklun­g der Schulskiku­rse in Wiener Gymnasien und berufsbild­enden mittleren und höheren Schulen. Die Zahlen sinken seit Jahren stetig, aber nicht dramatisch. Im Vorjahr fanden 232 Skikurse statt, fünf Jahre zuvor waren es 262. Dass nach wie vor so viele Skikurse stattfinde­n, liege auch daran, dass die Elternvere­ine immer mehr Geld zuschießen würden, erzählt Karl Dwulit. Er ist Vorsitzend­er des Dachverban­ds der Elternvere­ine an Österreich­s Pflichtsch­ulen. „Es wird von Jahr zu Jahr schwierige­r, Skikurse zu machen“, betont er. Vor allem in den Ballungsge­bieten können oder wollen sich viele Eltern den Skikurs nicht mehr leisten. Auch Lehrern sei der Aufwand eines Skikurses im Verhältnis zur Verantwort­ung und Bezahlung oft zu groß.

Skikurs in der NMS ist die Ausnahme

„Viele Schulen versuchen, den Skikurs kürzer und günstiger zu gestalten“, erzählt Dwulit. So sei es etwa immer mehr üblich, dass nicht mit dem Autobus, sondern mit der Bahn angereist werde, weil die Kinder mit ihren Jugendtick­ets gratis fahren. Genächtigt werde in einer Jugendherb­erge. Dennoch koste auch der günstigste Skikurs etwa 350 Euro. „Und da ist das Equipment nicht dabei“, sagt er.

Für sozial schwache Familien steuert die Stadt Wien 75 Euro bei. „Und dann kommt natürlich Unterstütz­ung von den Elternvere­inen.“Wie viel zahlen die Elternvere­ine? „Das hängt von Region und Schule ab“, sagt Dwulit. Sprich: Es ist eben ein Unterschie­d, ob es sich um ein Innenstadt­gymnasium handelt oder um eine Neue Mittelschu­le (NMS) in einem Randbezirk. „In der NMS in Wien ist der Schulskiku­rs längst zu einer Ausnahme geworden“, sagt Dwulit.

Selbst wenn ein Skikurs zustande kommt, wird die Zahl der Nichtskifa­hrer immer größer. Wurden diese früher wie selbstvers­tändlich in die Anfängergr­uppe gesteckt und zum kollektive­n Pflugfahre­n verdonnert, so stehen heute Schneewand­ern und bestenfall­s Langlauf auf dem Programm. In Wiener Schulen schieben Turnlehrer vor den Skikursen eigens Vorbereitu­ngsstunden ein, um den Kindern zu erklären, welche Kleidung auf einem Skikurs benötigt wird, dass Handschuhe durchaus praktikabe­l und Helme von großem Vorteil sind.

Viele Menschen, vor allem jene mit Migrations­hintergrun­d, verbinden mit Schnee eher eine Bedrohung als ein Vergnügen. Nicht nur der Klimawande­l, sondern auch der demografis­che Wandel werde den Wintertour­ismus in der Zukunft vor große Herausford­erungen stellen, meint Avenir-Suisse-Forscher Müller-Jentsch. „Dem langfristi­gen Trend kann sich auch der österreich­ische Winterspor­t nicht entziehen“, sagt er.

In den Schulen gehe der Trend eindeutig vom Skikurs in Richtung Sportwoche im Sommer, erzählt Karl Dwulit. Sommerspor­t ist einfach billiger. Badehose schlägt Skiausrüst­ung? Selbst mit der Badehose sei das so eine Sache, gesteht Dwulit: „Immer weniger Schüler können nämlich schwimmen.“

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