Was Paul Ryan lieber nicht getwittert hätte
1,50 Dollar Steuerersparnis für eine Sekretärin? Dass Jubel fehl am Platz sein könnte, sah der Republikaner zu spät. Die Frau sei über das Gehaltsplus von 1,50 Dollar pro Woche „angenehm überrascht“gewesen.
Als Paul Ryan merkte, dass seine Freude deplatziert wirken könnte, war es zu spät. Eine Twitter-Nachricht ist schnell versendet. Das weiß die Welt, seit Ryans Chef, US-Präsident Donald Trump, den Finger im Kurznachrichtendienst immer nah an der Senden-Taste hält.
Am Samstag war es aber Ryan, der oberste Republikaner im Kongress, der sich mit seinem Jubel über die Früchte der jüngsten US-Steuerreform nicht zurückhielt: Eine Schulsekretärin aus Pennsylvania sei „angenehm überrascht“gewesen, als sie auf ihrem Konto eine Steuererleichterung von 1,50 Dollar (1,20 Euro) pro Woche vorgefunden habe, twitterte Ryan. Seiner Nachricht hängte er als Beweis den Zeitungsbericht mit besagtem Zitat an.
Das war eine Steilvorlage für das Lager der Demokraten – die noch steiler wurde, als Ryan den Tweet wenig später ohne Angabe von Gründen wieder entfernte. Die demokratische Twitter-Fraktion ließ sich nicht lang bitten. Der Rückzug der Aussage sei das „unverhohlene Eingeständnis“, dass die Regierung nur die Reichen wirklich reicher macht, tippte die Chefin der Demokraten im Repräsentantenhaus, Nancy Pelosi, zurück. Ryan und die Republikaner wollten nicht, dass die Wahrheit ans Licht gelangt, ließ sie die Twitter-Welt wissen. Denn die Wahrheit sei, dass die Steuerreform „ein Geschenk an die USFirmen und das oberste eine Prozent auf eure Kosten ist“.
Fakt ist: Die Reform, die Trump kurz vor Weihnachten verabschiedet hat, reduziert die Unternehmenssteuer in den USA drastisch von 35 auf 21 Prozent. Ein standortpolitisch geschickter Schachzug, lobte SiemensChef Joe Kaeser jüngst bei einem Zusammentreffen mit Trump in Davos. Kaeser musste sich sofort rechtfertigen: Er habe nicht Trumps erstes Amtsjahr an sich beklatscht, sondern nur die Vorteile für die US-Firmen.
Firmen, zu denen auch Wells Fargo zählt. Wells Fargo, ebenjene skandalumwitterte Großbank, die zwei Millionen Phantomkonten eröffnet und systematisch Kunden betrogen haben soll. Ebenjene Großbank, die Ex-Fed-Chefin Janet Yellen am Freitag kurz vor ihrem Abgang noch rasch mit einem Wachstumsverbot belegt hat, bis Wells Fargo sich wieder an die Spielregeln halte. Und gerade diese Bank erspare sich unter dem neuen Steuerregime 3,4 Milliarden Dollar, twitterte ein Demokrat aus Minnesota. Dagegen macht das Plus von 1,50 Dollar im Börserl der Schulsekretärin keine überragende Figur.
Ryan dürfte seine Ursprungsnachricht jedoch komplett ironiefrei verfasst haben. Er ging darin noch weiter auf die Ausmaße der Erleichterung ein: Die 1,50 Dollar pro Woche deckten die Mitgliedschaft der Sekretärin bei der US-Handelskette Costco für ein ganzes Jahr.
Mit 1,50 Dollar lässt sich noch ganz anderes anstellen, erwiderte das demokratische Lager süffisant. Im USBundesstaat Wisconsin, wo Paul Ryan kandidiert, stehen im Herbst Wahlen an. Sein Gegenkandidat, Randy Bryce, ließ es sich nicht nehmen, seine Kampagne zu bewerben: „Steuert jetzt 1,50 bei und helft uns, Paul Ryan diesen November dauerhaft zu ersetzen.“