Doyenne der Snowboarder
Claudia Riegler bestreitet in Pyeongchang ihre vierten Winterspiele. Sie sei „brutal fit“.
Über 23 Jahre sind vergangen, seitdem Claudia Riegler im November 1994 in Zell am See ihr Debüt im Snowboardweltcup gegeben hat. Damals hatte der Weltverband FIS die Snowboarder neu ins Programm aufgenommen. Die gebürtige Wienerin hat zahllose Kolleginnen kommen und gehen gesehen, sie selbst ist bis heute geblieben. Riegler ist jetzt mit 44 Jahren die älteste österreichische Teilnehmerin in Südkorea, Doyenne war sie schon vor vier Jahren in Sotschi.
Pyeongchang werden ihre vierten Winterspiele, an Motivation und Ehrgeiz hat Riegler in all den Jahren nichts eingebüßt. Dabei war ein frühzeitiges Karriereende zwischenzeitlich vorgezeichnet, als 30-Jährige wurde sie aus allen ÖSV-Kadern gestrichen, „weil ich angeblich zu alt war. Ich war ehrlich schockiert darüber.“Riegler wollte aber nicht andere über ihr Schicksal entscheiden lassen. „Wenn ich immer auf andere ge- hört hätte, hätte ich sehr vieles nicht erlebt und erreicht.“
Olympia 2022? „Abwarten“
Riegler bastelte also an ihrem Privatteam rund um Trainer Marian Schlechter, gute Ergebnisse bei FIS- und Europacuprennen ebneten den Weg zurück zum ÖSV. Sie sei niemandem böse, sagt sie rückblickend, die besten Tage sollten ja noch vor ihr liegen. Als 37-Jährige gewann sie bei der WM in La Molina Silber (Parallel-RTL) und Bronze (Parallelslalom), vier Jahre darauf folgte bei der Heim-WM am Kreischberg die Krönung: Gold im Parallel-RTL. „Man muss im Leben geduldig bleiben. Ich habe nach der Kader-Eliminierung gewusst: Das war’s noch nicht.“Es ist die Leidenschaft für das Snowboarden, die Riegler weiterhin antreibt. „Das, was ich jetzt mache, mache ich halt am liebsten“, sagt der Evergreen und versichert: „Ich kann mich immer noch weiterentwickeln.“
Bei sportmedizinischen Tests vor Saisonbeginn hatte sie so gut wie nie zuvor abgeschnitten. Von schwerwiegenden Verletzungen ist sie, abgesehen von einem Schienbeinbruch 2006, Zeit ihrer Karriere weitestgehend verschont geblieben, Ödeme in der Schulter und im Sprunggelenk, die sie gegenwärtig plagen, sind für sie „nicht der Rede wert, weil sie mich beim Snowboarden nicht behindern.“Sie fühle sich „brutal fit“, habe anders als einige ihrer Kolleginnen weder Knie- noch Rückenprobleme. „Und ganz viel“, sagt sie der „Presse“, „spielt sich im Kopf ab. Da haben wir eine unglaubliche Macht, über die jeder von uns verfügt.“
Viele ihrer Konkurrentinnen im Weltcup könnten heute schon ihre Töchter sein, so etwa Saisondominatorin und Olympia-Favoritin Ester Ledecka, 22, aus Tsche- chien. Riegler schöpft aus diesem Umstand Kraft, etliche Kolleginnen schauen zu ihr auf. „Es freut mich, dass ich einige inspirieren kann“, sagt Riegler, die von einem Karriereende nichts wissen will. Die WM 2019 in den USA reize sie „total“, diese sei das mittelfristige Ziel. Selbst eine Teilnahme in Peking 2022, die Wienerin wäre dann 48, möchte sie nicht kategorisch ausschließen. „Vor vier Jahren bin ich in Sotschi gesessen und konnte es mir noch nicht vorstellen, dass ich in Pyeongchang noch fahre. Also abwarten . . .“
Zunächst richtet sich der Fokus aber ohnehin auf die Spiele in Südkorea, Riegler sieht sich nach zwei Podestplätzen in diesem Winter beim olympischen Parallel-Riesentorlauf am 24. Februar in einer guten Position. Was sie außerdem zuversichtlich stimmt: „Ich habe mich bei der Generalprobe im Vorjahr sofort in diesen Hang verliebt.“Er weckt Erinnerungen an jenen im Lachtal, als Riegler vor drei Jahren Weltmeisterin wurde. Und ihr Gefühl hat sie noch selten getäuscht.