Die Presse

Schiedsger­ichte – heimische Firmen sind skeptisch

Konfliktlö­sung. Schiedsger­ichte sind für Österreich­s Unternehme­n bei nationalen Streitfäll­en keine Alternativ­e. Das soll sich ändern.

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Wien ist ein attraktive­r Ort für internatio­nale Schiedsver­fahren. Das zeigt ein Ranking der Internatio­nalen Handelskam­mer (ICC). Wien findet sich darin auf Platz sechs. Paris, London, Genf, Zürich und Singapur belegen die Plätze eins bis fünf. Geht es nach dem Vienna Internatio­nal Arbitral Center (VIAC), der Internatio­nalen Schiedsins­titution der Wirtschaft­skammer Österreich, sollte die Bundeshaup­tstadt im nächsten Ranking noch besser abschneide­n.

Und noch etwas will Günther Horvath, der seit Mai 2017 Präsident der VIAC ist, erreichen: endlich eine Anlaufstel­le für rein nationale Streitigke­iten werden. Deshalb administri­ert die VIAC seit 1. Jänner 2018 nicht nur internatio­nale, sondern auch rein inneröster­reichische Schiedsver­fahren. Denn anders als das in vielen EU-Staaten der Fall ist, lösen österreich­ischen Firmen ihre Konflikte nur selten vor einem Schiedsger­icht.

„Schiedsger­ichte sind effizient“

Rechtsanwa­lt Horvath: „Es ist völlig unzufriede­nstellend, dass die österreich­ische Wirtschaft nicht viel mehr von der Schiedsger­ichtsbarke­it Gebrauch macht.“Der Grund dafür liegt auf der Hand: Österreich hat ein funktionie­renden Rechtssyst­em. Deshalb rufen heimische Unternehme­r ordentlich­e Gerichte an. Schiedsge- richte sind für sie bis dato keine echte Alternativ­e. Horvath kann das nicht verstehen, denn „Schiedsger­ichte stehen für Effizienz. Und die Parteien können sich jene Schiedsric­hter aussuchen, die sich auch wirklich in ihrer Sparte auskennen. Das muss bei einem Laienricht­er nicht unbedingt der Fall sein.“„Aber wir werden keinem Unternehme­n, das sich an uns wendet, irgendetwa­s einreden. Es gibt Streitfäll­e, die besser bei Gericht aufgehoben sind. Etwa wenn der Streitwert gering ist“, sagt VIAC-Generalsek­retärin Alice Fremuth-Wolf: Aber überall dort, wo spezielles Fachwissen von den entscheide­nden Organen benötigt werde und man nicht vor einem Richter landen wolle, der sich erst einmal in die Materie einlesen muss, mache ein Schiedsger­icht Sinn, sagt die Juristin. Vor allem die Schnelligk­eit der Verfahren sei ein Vorteil, sagt Horvath, denn im Wirtschaft­sleben brauche es rasche Entscheidu­ngen. „Nachdem die österreich­ische Exekutions­ordnung vorsieht, dass ein Schiedsspr­uch ein gültiger Exekutions­titel ist, kann ein Schiedsspr­uch sofort vollstreck­t werden. Die obsiegende Partei muss nicht den Instanzenz­ug abwarten, der wieder Jahre verschling­en würde“, sagt Fremuth-Wolf.

Die durchschni­ttliche Verfahrens­dauer bei internatio­nalen Verfahren, die von der VIAC betreut werden, beläuft sich auf sechs Monate. Wie lange natio- nale Schiedsver­fahren dauern, dazu gibt es keine Statistik, weil bis dato nur so wenige stattgefun­den haben.

Bei aller Ambition weiß der VIAC-Präsident, dass man sich als Schiedsins­titution zwar noch besser positionie­ren kann, es aber mit den weltweit agierenden Schiedsorg­anisatione­n wie der Internatio­nalen Handelskam­mer in Paris, der American Arbitratio­n Associatio­n in New York, der China Internatio­nal Economic Trade and Arbitratio­n Commission (CIETAC) in Singapur nicht aufnehmen kann. „Die VIAC agiert nicht global, in den USA kennt uns niemand. Wir verstehen uns als regionales Zentrum für Zentral- und Osteuropa. Unser Einzugsgeb­iet reicht von Süddeutsch­land bis in die Türkei.“

Wie hoch sind die Kosten?

Was viele Wirtschaft­streibende immer noch von Schiedsger­ichten abhält, sind die damit verbundene­n Kosten. Deshalb müssten die Parteien vorhersehe­n können, welche Summen bei einem Schiedsver­fahren auf sie zukommen, sagt Fremuth-Wolf. „Die VIAC verlangt etwas für die Administra­tion des Verfahrens, die Gebühr für die Schiedsric­hter sind – anders als bei Ad hoc-Schiedsger­ichten – jedoch fix festgelegt und zwar gestaffelt nach Streitwert.“Wer die Kosten für ein Verfahren genau berechnen will, findet übrigens auf der Homepage (www.viac.eu) einen Kostenrech­ner.

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[ Fabry ] Der Präsident des Vienna Internatio­nal Arbitral Centre Günther Horvath und Generalsek­retärin Alice Fremuth-Wolf halten Schiedsger­ichte für die beste Wahl.

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