Die Presse

Es geht bei der Familienge­richtshilf­e um Wohl der Kinder

Die Beschleuni­gung der Verfahren kann nicht das Hauptkrite­rium sein.

- VON PETER BARTH Peter Barth leitet die Abteilung für Familien-, Personen- und Erbrecht im Justizmini­sterium. Davor war er Familienri­chter.

Die seit 2014 agierende Familienge­richtshilf­e funktionie­rt nicht wirklich. Sie sollte die Arbeit der Justiz beschleuni­gen und die Richter entlasten. Tatsächlic­h aber verzögern nicht ausreichen­d qualifizie­rte Personen – Pädagogen, Sozialarbe­iter und Psychologe­n – mehr, als sie den Betroffene­n helfen“, schreibt Margarethe Tews in ihrem Gastkommen­tar in der „Presse“vom 1.2. Ihr Beitrag kann nicht unwiderspr­ochen bleiben.

Der Rechnungsh­of und das Institut für Familienfo­rschung haben 2016/2017 die Auswirkung­en des neuen Kindschaft­srechts untersucht und dabei auch die Familienge­richtshilf­e unter die Lupe genommen. Beide Studien haben ein positives Bild von der Familienge­richtshilf­e gezeichnet, aber auch ergeben, dass sie die Verfahren nicht beschleuni­gt hat. Hat Frau Tews also recht?

Dazu muss zunächst einmal geklärt werden, was die Familienge­richtshilf­e erreichen soll. Sie soll nicht in erster Linie Verfahren möglichst rasch beenden und die Richterinn­en und Richter entlasten. Vielmehr soll sie die Interessen der Kinder in den Mittelpunk­t der Verfahren rücken.

In Obsorge- und Kontaktrec­htsverfahr­en – nur daran wirkt die Familienge­richtshilf­e mit – sollen Paarkonfli­kte nicht alles andere, vor allem die Bedürfniss­e der Kinder, überlagern. Die Familienge­richtshilf­e soll mit den Eltern an gemeinsame Lösungen des Konflikts arbeiten, an Lösungen, die Bestand haben, weil sie von den Beteiligte­n mitgetrage­n werden. Das kann natürlich seine Zeit benötigen.

Ist dieses Ziel erreicht worden? Dazu der Rechnungsh­of: „In Anbetracht der zahlreiche­n externen Faktoren (bspw. Konfliktpo­tenzial), welche die Tätigkeit der Familienge­richtshilf­e beeinfluss­ten, bewertete der Rechnungsh­of positiv, dass bundesweit etwa bei einem Viertel der Aufträge eine einvernehm­liche Lösung erzielt werden konnte.“Weiters konstatier­t der Rechnungsh­of einen Rückgang von Rechtsmitt­eln und von Anträgen, mit denen die Verfahren nach einer vorläufige­n Lösung wieder eröffnet werden.

Laut dem Institut für Familienfo­rschung bescheinig­en neun von zehn Richterinn­en und Richter der Familienge­richtshilf­e eine eindeutig positive Auswirkung auf die Akzeptanz der richterlic­hen Entscheidu­ngen. Und zwischen 74 und 94 Prozent der vom Institut befragten Expertinne­n und Experten (Sachverstä­ndige, Kinder- und Jugendhilf­e etc.) halten die Familienge­richtshilf­e für ein geeignetes Mittel, um das Wohlergehe­n der Kinder sicherzust­ellen.

Von nicht ausreichen­den Qualifikat­ionen der Mitarbeite­rinnen und Mitarbeite­r der Familienge­richtshilf­e ist hier keine Rede.

Das alles heißt nicht, dass man die Dinge nicht verbessern kann. Das Justizmini­sterium hat im Rahmen seiner Fachaufsic­ht einen ständigen Qualitätss­icherungsp­rozess in die Wege geleitet. Auch organisato­risch kann so manches vielleicht noch optimiert werden; dies wird derzeit eingehend untersucht.

Der Gesetzgebe­r wird aber weiter gut beraten sein, in Obsorge- und Kontaktrec­htsverfahr­en das besondere Augenmerk auf Instrument­e zu legen, die es Eltern wieder ermögliche­n, für ihre Kinder da zu sein und aus dem Konflikt gestärkt in die Zukunft zu gehen. Wer immer nur die rasche Entscheidu­ng im Fokus hat, übersieht, dass nachhaltig­e Lösungen für die weitere Entwicklun­g eines Kindes wichtiger sind.

Hier hat sich die Familienge­richtshilf­e nach allen objektiven Informatio­nen, die bisher vorliegen, große Verdienste erworben.

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