Die Inszenierung eines Kanzlers
Regierung. Wie kaum einer seiner Vorgänger beherrscht Sebastian Kurz die Kunst der medialen Vermarktung. Dafür ist auch ein großes Maß an Kontrolle nötig.
Wien. Es war eine gute Woche für Sebastian Kurz. Zweifellos. Am Montagabend war er bei der Feier zum 75. Geburtstag von „Kronen Zeitung“-Kolumnist Michael Jeannee.´ Und wurde später selbst in der Boulevardzeitung groß abgefeiert.
Am Mittwochabend wurde dann die zweite, über weite Strecken schmeichelhafte Sebastian-Kurz-Biografie vorgestellt – verfasst von einem Reporter des deutschen Boulevardblatts „Bild“. Und am Donnerstagabend schließlich der Opernball. Mit entsprechender Vorberichterstattung, bei der die Gratiszeitung „Österreich“die Nase vorn hatte: Kurz’ Freundin werde aus Gründen der Sparsamkeit bloß ein Kleid „von der Stange“tragen, war da zu lesen. Und in der Regierungsloge werde es überhaupt „Sekt statt Champagner“geben.
Die Opernballnachbetrachtung der Zeitung ließ für den Kanzler dann überhaupt keine Wünsche mehr offen: „Kurz rettet den Opernball“titelte „Österreich“in dicken Balkenlettern. Der Boulevard hat offenbar einen neuen Liebling: Sebastian Kurz hat seinen Vorvorgänger, Werner Faymann, wunderbar ersetzt. Wenn nicht sogar überholt.
So ein Medienhype um einen Politiker ist selten. Aber er hat seine Gründe: Sebastian Kurz versteht es eben hervorragend, die Boulevardmedien zu bedienen. Da wird nichts dem Zufall überlassen. In den vergangenen Tagen mussten jedenfalls die Minister der neuen Regierung der „Kronen Zeitung“ihre Aufwartung machen. Sie gehorchten murrend, wie ein Betroffener der „Presse“erzählte. Was blieb ihnen auch anderes übrig?
Minister an der kurzen Leine
In der Regierung hat Kurz die Zügel fest in der Hand. Mit dem Amtsantritt von TürkisBlau wurde im Kanzleramt eigens die „Stabstelle für strategische Kommunikationsplanung“eingerichtet, die von Kurz’ früherem Pressesprecher Gerald Fleischmann geleitet wird. Dieses Büro legt das wöchentliche Schwerpunktthema fest, mit dem das zuständige Regierungsmitglied dann in den Medien vorstellig werden muss. Diese Woche war ÖVP-Staatssekretärin Karoline Edtstadler mit der geplanten Strafrechtsverschärfung an der Reihe. Für inhaltliche Eigeninitiativen brauchen die Minister den Sanktus des Kanzleramts. Sogar Interviews – zumindest jene der ÖVP-Minister – müssen vom Kommunikationsbüro des Kanzlers freigegeben werden.
Die Große Koalition stand für Dauerstreit und inhaltliche Widersprüche. Sebastian Kurz möchte die Fehler seiner Vorgänger vermeiden. Doch dafür, meint er, sei ein Mindestmaß an Kontrolle notwendig. International liegt er damit durchaus im Trend. Der französische Medienliebling Emmanuel Macron geht hier ähnlich ans Werk.
Für die neue Politikergeneration hat Inszenierung einen hohen Stellenwert. Wer es richtig anstellt, behält die Deutungshoheit über sich und seine Politik. Schon als Au- ßenminister ließ sich Kurz auf Reisen von einem Fotografen und einer Videofilmerin begleiten, die sein Social-Media-Team laufend mit frischem Material belieferten.
In der neuen Kurz-Biografie des „Bild“Reporters Paul Ronzheimer, die in Zusammenarbeit mit dem Kanzler entstanden ist, werden wohl nicht ganz zufällig Anekdoten zitiert, die in die politische Erzählung des Porträtierten passen: dass die Großmutter des späteren Balkanroutenschließers einst zu Fuß von Novi Sad nach Niederösterreich geflüchtet ist, dass der sechsjährige Sebastian Kurz auf dem großelterlichen Bauernhof mit Flüchtlingsmädchen aus dem zerfallenden Jugoslawien gespielt hat.
Möglicherweise war auch Kurz’ Gästeliste beim Opernball nicht ganz frei von politischem Kalkül. In der Ehrenloge neben dem Kanzler nahmen nämlich die Menschenrechtsaktivistin Waris Dirie und der homosexuelle irische Premier, Leo Varadkar, Platz.
Im Notfall lieber untertauchen
Doch nicht alles lässt sich immer kontrollieren, wie die Affäre um den FPÖ-Politiker und Burschenschafter Udo Landbauer gezeigt hat. In solchen Fällen legt Kurz den Schalter geschickt auf Schadensbegrenzung um – und taucht so lang unter, bis er einen Ausweg gefunden hat. Fragen nach politischen Konsequenzen werden in dieser Phase von Regierungssprecher Peter LaunskyTieffenthal abgeblockt, der jetzt auch mit der Öffentlichkeitsarbeit der Regierung betraut wird. Der Bundespressedienst als eigene Sektion wird aufgelöst, seine Fachabteilungen werden Launsky-Tieffenthal unterstellt.
Der Österreichische Journalistenclub hält das für eine „autoritäre Maßnahme“, die an den Fürsten Metternich, den „Feind der Pressefreiheit“, erinnere. Im Kanzleramt kann man die Kritik nicht nachvollziehen: Von einer Auflösung könne keine Rede sein, versicherte Launsky-Tieffenthal am Freitag. Die Aufgaben des Bundespressedienstes würden weitergeführt und „eher erweitert“, wenn auch in einer neuen Organisationsform: im Büro des Regierungssprechers.