Die Presse

Die immer sauberere Seifen-Stadt

Frankreich. In der einst verruchten größten französisc­hes Mittelmeer­hafenstadt Marseille gibt es massenhaft zu sehen, unter anderem die zwei Kilometer lange Sitzbank am Hafen, fotogene Stadtviert­el und gleich mehrere Seifen-Museen.

- VON DIRK ENGELHARDT

Die Seife aus Marseille, auf französisc­h Savon de Marseille, ist in aller Welt bekannt. „Nur leider ist der Begriff nicht geschützt, jeder kann ihn auf seine Seife stempeln“, wird man als erstes von den wenigen Seifensied­er hören, die es in Marseille noch gibt. So ist auch in China eine „Savon de Marseille“erhältlich, nur hat sie meist nicht den vorgeschri­ebenen Olivenölan­teil von mindestens 72 Prozent, wenn sie überhaupt Olivenöl enthält.

Jean-Baptiste Jaussaud gehört eine der kleinen Manufaktur­en rund um den alten Hafen, die Seife mit traditione­llen Maschinen noch von Hand herstellen. Die 1881 gegründete Manufaktur ist winzig, nennt sich aber volltönend „La Grande Savonnerie“, weil sie an der Grand Rue liegt. „Die traditione­lle Seife aus Marseille ist zum einen die Olivenölse­ife, die ausschließ­lich Olivenöl und Soda enthält, und die weiße Waschseife, die wie früher in dicken Blöcken mit einem Griff hergestell­t wird, mit der man die Wäsche auf dem Waschbrett rubbelte“, erklärt Jaussaud. Und fügt hinzu: „Die Waschseife enthält kein Oliven-, sondern Kokosöl oder Palmöl“. Im 17. Jahrhunder­t wurde Marseille zur Seifenstad­t, denn hier liegen die Grundstoff­e zur Seifenprod­uktion vor der Tür. Zum einen die Olivenhain­e der Provence, zum anderen das Meersalz zum Herstellen des basischen Soda. Chaussaud erklärt jedem Besucher, den es in die Mini-Manufaktur verschlägt, den Herstellun­gsprozess: „Vier Tage lang wird diese Emulsion gekocht, auf niedriger Flamme im Chaudron, dem Seifenkess­el. Die Masse wird dann mit einem Mühlstein aus Granit gepresst, um ihre Textur zu lockern und sie weicher zu machen.“

Dann gibt Chaussaud die Seifenmass­e mehrmals in die Seifenpres­se, aus der rechteckig­e oder ovale Seifen gepresst werden. Diesen Prozess will Jaussaud im Frühjahr 2018 in einem neuen Museum vorführen, dem „Musee´ du Savon de Marseille“, für das er bereits ein Ladenlokal an der Rue Henri Fiocca 1 direkt am Alten Hafen angemietet hat.

Dass es bereits seit einem Jahr ein anderes, nur 100 Meter entferntes Seifenmuse­en in Marseille gibt, ficht ihn nicht an. Es nennt sich „Savonnerie Marseillai­se de la Licorne“, der Inhaber betreibt sogar mehrere kleinen Läden am Hafen. Die Maschinen, die Chef Serge Bruna in seiner Manufaktur zur Seifenhers­tellung benutzt, sind mehr als 100 Jahre alt, tun aber immer noch brav ihren Dienst. Für Gruppen bietet Bruna Seifenwork­shops an, bei denen jeder seine Seife mit einem selbst hergestell­ten Stempel personalis­ieren kann, was laut Bruna sehr gut ankommt. Auch verschiede­ne Duftseifen hat er im Angebot, die gefragtest­en sind die mit Lavendelpa­rfüm, Ho- nig, Propolis, Traubenext­rakt, Mandel, Mimose, Orangenblü­te und Rose.

Auf den boomenden Wellness-Tourismus setzt auch ein anderes Unternehme­n in Hafennähe. Mit echter Savon de Marseille abgeschrub­bt wird man in den historisch­en Mauern der Bastide des Bains. Das alte Hamam wurde vor kurzem stilvoll renoviert und bietet eine Runde Aufwärmen für 30 Euro an. Die Besitzerin produziert zudem eine Kosmetikse­rie mit natürliche­n Inhaltssto­ffen, zum Beispiel Zeder, mit der sie unter anderem Occitane Konkurrenz machen will.

Auch sonst hat sich Marseille von der einst verrufenen Hafenstadt zu einer sehenswert­en Mittelmeer­stadt gemausert. Das fotogenste Stadtviert­el, inklusive südfranzös­ischer Dorfatmosp­häre, ist das Panier oberhalb des alten Hafens. Früher ein Arme-Leute-Viertel, machen sich jetzt in den gewundenen Gassen und beschaulic­hen Plätzen Cafes,´ Restaurant­s und Chocolatie­rs breit. Dazwischen flattert aber immer noch die Wäsche an der Leine unter dem Fenster, unsanierte Häuser stemmen sich der Gentrifizi­erung entgegen. Am Place aux Huiles gibt es kleine Läden, die Olivenöle aus der Provence, Tapenade, Fruchtsiru­p, Mandelplät­zchen und Auberginen­kaviar anbieten, und natürlich Wein. Die beste Schokolade im Viertel gibt es bei Madame LeRay, „La Chocolati`ere du Panier“. Das typische schiffsför­mige Gebäck von Marseille, die Navette des Accoules, kann man in der Konditorei von Jose´ Orsoni bekommen.

Wie viele Städte hat Marseille mittlerwei­le auch ein gut ausgebaute­s Leihfahrra­dsystem, das pro Stunde einen Euro kostet. Die schönste Tour ist die entlang der Corniche Kennedy, die sich in Richtung Osten über dem Meer schlängelt. Hier findet sich auch die längste Sitzbank der Welt, die knapp zwei Kilometer lang ist und gern von Anglern zur Ablage ihres Fangs genutzt wird. Man blickt auf das azurblaue Meer bis zum Archipel von Frioul, das Alexandre Dumas zu seinem Roman „Der Graf von Monte Christo“inspiriert­e.

Zum Schluss noch eine Bouillabai­sse am Hafen. Hier offerieren die Fischer jeden Morgen ihren Fang, alles ist klinisch sauber, nach Tang und Öl riecht hier nichts mehr. Die beste Fischsuppe bekommt man im Restaurant Le Miramar. Dort wird sie der Tradition folgend auf zwei Tellern serviert: zuerst erhält der Gast die Suppe als „Creme“, ohne Fisch und Meeresfrüc­hte. Ist diese ausgelöffe­lt, folgt ein riesiger Teller, bis oben gefüllt mit frischem Fisch und Meeresfrüc­hten. Leider zieht Marseille hier auch preislich neue Seiten auf: die Fischsuppe kostet 65 Euro.

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