Die Presse

Ein Sprung ins kalte Wasser

Hausgeschi­chte. Früher Stall, Fiakergara­ge und Autowerkst­att, heute Co-Working-Space: Lisa Stelzel hat die Stiegengas­se 11 in Mariahilf mit neuem Leben gefüllt.

- VON DANIELA MATHIS

Ein Türkenscha­tz soll hier vergraben sein, in der ehemaligen Laimgruben, wo 1796 das Haus Nr. 84 gebaut wurde. Heute als Stiegengas­se 11 gemeinsam mit dem Nachbarhau­s Nr. 9 unter Ensemblesc­hutz stehend, birgt es ein ungewöhnli­ches Innenleben für das dicht bewohnte Grätzel: zwölf fixe und einige flexible, für digitalen Officebetr­ieb geeignete Arbeitsplä­tze in historisch­em Ambiente. Sechs weitere sollen in Kürze dazukommen, „wenn der gesamte Ausbau samt Dachterras­se fertig ist“, erzählt Lisa Stelzel, die das Haus gemeinsam mit ihrem Vater renoviert hat und mit Kommunikat­ionsberate­rin Sylvia Metenczuk der Öffentlich­keit vorstellt. Als Fotografin, Reiseblogg­erin und ehemalige Automobilm­anagerin „war der Umbau etwas ganz Neues, ein Sprung ins kalte Wasser“, so Stelzel. Nachdem der Vorbesitze­r, ein Verwandter, verstorben war, stellte sich die Frage, was mit dem großteils gewerblich gewidmeten Gebäude zu machen sei. Die Idee, Platz zum Arbeiten anzubieten und das Haus somit in seiner Tradition als Arbeitsstä­tte neu zu beleben, wurde ab März 2017 umgesetzt. „Nr. 11 war ja seit jeher auch gewerblich genutzt – eine Seltenheit im Wohnbezirk Mariahilf“, erklärt Stelzel. Die gewerblich­e Nutzung wird auch laufend überprüft, nutzt man das Gebäude nicht entspreche­nd, wird es zu Wohnraum umgewidmet.

Prominente Vorgänger

„Wir haben versucht, so viel wie möglich von der Substanz zu erhalten beziehungs­weise wieder zu zeigen“, erzählt die Unternehme­rin. So wurde im ehemaligen Pferdestal­l das Deckengewö­lbe freigelegt, das beim Schließen der Luke zum Heuboden entdeckt wurde. „Ich wollte noch viel mehr erhalten, etwa den 200 Jahre alten Holzboden im Erdgeschoß, doch der war schon extrem kaputt“, bedauert ihr Vater, Christian Stelzel, der als Zauberküns­tler „Magic Christian“bekannt wurde und seit 1989 den Magischen Klub Wien leitet. Dieser ist praktische­rweise im Nachbarhau­s Nr. 9 beheimatet. Wo jetzt im Büro gewerkt wird, war 1910 eine Milchaussc­hank untergebra­cht, die die Mutter des Schauspiel­ers Hans Moser betrieb. Einige Jahrzehnte davor wohnte – in den gleichen Räumen – der Operettenk­omponist Carl Joseph Millöcker in Nr. 11, der der Überliefer­ung nach im Keller Trompete üben musste, um die Nachbarn nicht zu stören.

Der 200 Jahre alte Holzbohlen­boden im ersten Stock konnte erhalten werden, die Fenster – deren Außenflüge­l sich, typisch für diese Bauzeit, nach außen öffnen – wurden akribisch saniert. Ebenso wie viele Kleinigkei­ten, die vom Denkmalamt nicht vorgeschri­eben waren. „Wir haben auch die Haken und Ringe, an denen die Pferde angebunden waren, wenn möglich in der Mauer gelassen“, erklärt die 33-Jährige die Befestigun­gen im Eingangsbe­reich. „Wo man heute das Büro betritt, schaute früher ein Schimmel aus seiner Box.“Von den Pferden und Kutschen sind nur mehr Fotos vorhanden, und die ehemalige Garage fungiert als überdachte Terrasse, die in den offenen, begrünten Hof übergeht.

Mieter aus der Kreativsze­ne

Eingericht­et hat Stelzel das Office mit neuen und nicht mehr gebrauchte­n Büromöbeln, „für die ich zum Teil bis ins Waldvierte­l gefahren bin“. An den Wänden hängen Arbeiten der Unternehme­rin, auf Reisen gefertigte Fotos aus aller Herren Länder. „Eine persönlich­e Atmosphäre war mir wichtig.“

Seit 1. Dezember 2017 haben hier nun die ersten Mieter ihren Büroarbeit­splatz, von der Designe- rin über die Kommunikat­ionsberate­rin bis zum IT Consultant. „Es sollte alles so unkomplizi­ert und dabei so profession­ell wie möglich sein“, erzählt Metenczuk. „Jede Firma, ob Einzelunte­rnehmer oder GmbH, hat natürlich eine eigene Postadress­e samt Postkastl und einen Zugangs-Chip.“Neben den Büros, dem Hof und der Terrasse gibt es zwei kleine Küchenecke­n, und Radfahrer finden eine Dusche im Obergescho­ß, um sich vor der Arbeit frisch zu machen. Den Türkenscha­tz haben die Stelzels bisher – wie alle Besitzer vor ihnen – nicht gefunden. „Aber wenn wir im Keller anfangen, gründlich zu sanieren, wer weiß?“

 ?? [ Dimo Dimov ] ?? Einst Pferdestal­l, heute einer von drei Co-WorkingRäu­men. Bei der Sanierung wurde darauf geachtet, möglichst viel der alten Substanz wie das Ziegelgewö­lbe zu erhalten.
[ Dimo Dimov ] Einst Pferdestal­l, heute einer von drei Co-WorkingRäu­men. Bei der Sanierung wurde darauf geachtet, möglichst viel der alten Substanz wie das Ziegelgewö­lbe zu erhalten.

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