Ein Sprung ins kalte Wasser
Hausgeschichte. Früher Stall, Fiakergarage und Autowerkstatt, heute Co-Working-Space: Lisa Stelzel hat die Stiegengasse 11 in Mariahilf mit neuem Leben gefüllt.
Ein Türkenschatz soll hier vergraben sein, in der ehemaligen Laimgruben, wo 1796 das Haus Nr. 84 gebaut wurde. Heute als Stiegengasse 11 gemeinsam mit dem Nachbarhaus Nr. 9 unter Ensembleschutz stehend, birgt es ein ungewöhnliches Innenleben für das dicht bewohnte Grätzel: zwölf fixe und einige flexible, für digitalen Officebetrieb geeignete Arbeitsplätze in historischem Ambiente. Sechs weitere sollen in Kürze dazukommen, „wenn der gesamte Ausbau samt Dachterrasse fertig ist“, erzählt Lisa Stelzel, die das Haus gemeinsam mit ihrem Vater renoviert hat und mit Kommunikationsberaterin Sylvia Metenczuk der Öffentlichkeit vorstellt. Als Fotografin, Reisebloggerin und ehemalige Automobilmanagerin „war der Umbau etwas ganz Neues, ein Sprung ins kalte Wasser“, so Stelzel. Nachdem der Vorbesitzer, ein Verwandter, verstorben war, stellte sich die Frage, was mit dem großteils gewerblich gewidmeten Gebäude zu machen sei. Die Idee, Platz zum Arbeiten anzubieten und das Haus somit in seiner Tradition als Arbeitsstätte neu zu beleben, wurde ab März 2017 umgesetzt. „Nr. 11 war ja seit jeher auch gewerblich genutzt – eine Seltenheit im Wohnbezirk Mariahilf“, erklärt Stelzel. Die gewerbliche Nutzung wird auch laufend überprüft, nutzt man das Gebäude nicht entsprechend, wird es zu Wohnraum umgewidmet.
Prominente Vorgänger
„Wir haben versucht, so viel wie möglich von der Substanz zu erhalten beziehungsweise wieder zu zeigen“, erzählt die Unternehmerin. So wurde im ehemaligen Pferdestall das Deckengewölbe freigelegt, das beim Schließen der Luke zum Heuboden entdeckt wurde. „Ich wollte noch viel mehr erhalten, etwa den 200 Jahre alten Holzboden im Erdgeschoß, doch der war schon extrem kaputt“, bedauert ihr Vater, Christian Stelzel, der als Zauberkünstler „Magic Christian“bekannt wurde und seit 1989 den Magischen Klub Wien leitet. Dieser ist praktischerweise im Nachbarhaus Nr. 9 beheimatet. Wo jetzt im Büro gewerkt wird, war 1910 eine Milchausschank untergebracht, die die Mutter des Schauspielers Hans Moser betrieb. Einige Jahrzehnte davor wohnte – in den gleichen Räumen – der Operettenkomponist Carl Joseph Millöcker in Nr. 11, der der Überlieferung nach im Keller Trompete üben musste, um die Nachbarn nicht zu stören.
Der 200 Jahre alte Holzbohlenboden im ersten Stock konnte erhalten werden, die Fenster – deren Außenflügel sich, typisch für diese Bauzeit, nach außen öffnen – wurden akribisch saniert. Ebenso wie viele Kleinigkeiten, die vom Denkmalamt nicht vorgeschrieben waren. „Wir haben auch die Haken und Ringe, an denen die Pferde angebunden waren, wenn möglich in der Mauer gelassen“, erklärt die 33-Jährige die Befestigungen im Eingangsbereich. „Wo man heute das Büro betritt, schaute früher ein Schimmel aus seiner Box.“Von den Pferden und Kutschen sind nur mehr Fotos vorhanden, und die ehemalige Garage fungiert als überdachte Terrasse, die in den offenen, begrünten Hof übergeht.
Mieter aus der Kreativszene
Eingerichtet hat Stelzel das Office mit neuen und nicht mehr gebrauchten Büromöbeln, „für die ich zum Teil bis ins Waldviertel gefahren bin“. An den Wänden hängen Arbeiten der Unternehmerin, auf Reisen gefertigte Fotos aus aller Herren Länder. „Eine persönliche Atmosphäre war mir wichtig.“
Seit 1. Dezember 2017 haben hier nun die ersten Mieter ihren Büroarbeitsplatz, von der Designe- rin über die Kommunikationsberaterin bis zum IT Consultant. „Es sollte alles so unkompliziert und dabei so professionell wie möglich sein“, erzählt Metenczuk. „Jede Firma, ob Einzelunternehmer oder GmbH, hat natürlich eine eigene Postadresse samt Postkastl und einen Zugangs-Chip.“Neben den Büros, dem Hof und der Terrasse gibt es zwei kleine Küchenecken, und Radfahrer finden eine Dusche im Obergeschoß, um sich vor der Arbeit frisch zu machen. Den Türkenschatz haben die Stelzels bisher – wie alle Besitzer vor ihnen – nicht gefunden. „Aber wenn wir im Keller anfangen, gründlich zu sanieren, wer weiß?“