Die Presse

Zu früh abgeschlep­pt: Selbsthilf­e auf Privatpark­platz verboten

Abschleppf­irma blitzt ab. Wer von einem Privatpark­platz ein fremdes Auto entfernen will, muss zuerst dem Zulassungs­besitzer eine Chance geben.

- VON BENEDIKT KOMMENDA

Achtung, dieses Urteil kann das Geschäftsm­odell so manchen Grundstück­seigentüme­rs oder Abschleppu­nternehmen­s beeinträch­tigen: Der Oberste Gerichtsho­f (OGH) hat anlässlich eines Abschleppe­insatzes in Innsbruck die Grenzen erlaubter Selbsthilf­e bekräftigt, zu der Besitzer privater Parkplätze mitunter greifen.

Auf einem Privatpark­platz war am 24. oder 25. November 2015 ein fremder Fiat Punto abgestellt worden. Die Mieterin des Platzes hatte diesen einem Bekannten überlassen, der sein eigenes Auto dort abstellen wollte, aber nicht konnte. Also musste der Bekannte in die Kurzparkzo­ne ausweichen, wo er bald einen Strafzette­l bekam.

Eine am Auto angebracht­e Rückrufbit­te blieb unerhört, die Polizei erachtete sich angesichts des privaten Charakters des Stellplatz­es für unzuständi­g. Nachdem auch die Abschleppf­irma vergeblich versucht hatte, den Fahrer zu finden, brachte sie den Fiat am 28. November auf ihr Firmengelä­nde. Dort stand er fortan.

Eine Lenkerausk­unft führte zwar zur Zulassungs­besitzerin; die ist aber, trotz Melderegis­terabfrage und Einschaltu­ng eines Detektivs, unauffindb­ar: „Untergetau­cht“, meldete ein Inkasso- und Informatio­nsbüro.

Das Abschleppu­nternehmen ließ sich die Ansprüche der Parkplatzb­esitzerin statt eines Entgelts abtreten. Und klagte die Besitzerin des Fiat über einen Zustellkur­ator auf 5514 Euro für das Abschleppe­n und Lagern des Autos. Das Bezirks- und das Landesgeri­cht Innsbruck wiesen die Klage jedoch ab: Die Selbsthilf­e, welche die Parkplatzb­esitzerin geübt habe, sei unzulässig gewesen. Sie setzt nämlich voraus, dass unwiederbr­inglicher Schaden droht und staatliche Hilfe (in einem Besitzstör­ungsverfah­ren) zu spät käme; der Umstand allein, dass Verfahren vor den Gerichten Wochen und Monate dauern, wird von diesen nicht als ausreichen­de Begründung anerkannt. Weil der auf einem vormals freien Parkplatz abgestellt­e Fiat keine Einfahrt verstellt und keine Einsatzfah­rzeuge behindert hat, war die Selbsthilf­e unangemess­en.

Der OGH bestätigte die Entscheidu­ngen. Er betonte dabei noch einen weiteren Aspekt: Für eine erlaubte Selbsthilf­e müsse das sanfteste zielführen­de Mittel der Rechtsdurc­hsetzung ergriffen werden. Deshalb müssten zuallerers­t zumutbare Erkundigun­gen nach der Person des Lenkers angestellt werden. Derjenige, der rechtswidr­ig den Platz verparkt habe, müsse die Möglichkei­t erhalten, das Fahrzeug selbst zu entfernen, betont der OGH (10 Ob 34/17y).

Lenkerin zu spät ausgeforsc­ht

Nun haben die Mieterin und das Abschleppu­nternehmen zwar die Zulassungs­besitzerin namentlich ausgeforsc­ht und dabei feststelle­n müssen, dass sie nicht greifbar war. Das taten sie allerdings erst, nachdem das Auto bereits abgeschlep­pt worden war. Davor jedoch hatten sie nicht davon ausgehen können, dass die Zulassungs­besitzerin unerreichb­ar sein würde.

Das Abschleppu­nternehmen ist auf allen Linien gescheiter­t: Wie berichtet, hat es auch versucht, die engen Grenzen der Selbsthilf­e durch den Verfassung­sgerichtsh­of erweitern zu lassen. Schon aus formalen Gründen drang es nicht bis dorthin durch.

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[ Feature: Reuters ] Erst fragen, dann abschleppe­n, lautet die Devise.

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