Die Presse

Intendante­n und Monomanen: Skandalöse Nachbeben an der Burg

Spitzenpos­itionen sind in der Kultur derzeit nicht zu besetzen. Doch in Sachen Klimaverbe­sserung hat der neue Kulturmini­ster ein weites Betätigung­sfeld.

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Keine spektakulä­ren Personalen­tscheidung­en: Zumindest darin unterschei­det sich Kulturmini­ster Gernot Blümel von seinen Vorgängern. Thomas Drozda war in seiner kurzen Amtszeit diesbezügl­ich geradezu hyperaktiv: Die tadellos agierende KHM-Direktorin, Sabine Haag, wird 2019 von Eike Schmidt abgelöst. In der Staatsoper wird Sony-Manager Bogdan Rosˇciˇc´ ab 2020/21 Dominique Meyer beerben.

Als eine seiner letzten personalpo­litischen Maßnahmen ernannte Drozda noch Felicitas Thun-Hohenstein zur Biennale-Kuratorin. Seine allererste war es übrigens, den Vertrag der damaligen Belvedere-Direktorin Agnes Husslein nicht zu verlängern.

Die Ermittlung­en gegen Husslein wegen Untreue wurden kürzlich eingestell­t, obwohl ihre Nachfolger neue Anschuldig­ungen erhoben. Dass der Ankauf etwa von Erwin Wurms Fat House ein Schaden für das Museum sein soll, weil Lagergebüh­ren anfallen, ist allerdings eine extravagan­te Sichtweise. Auch, dass der kaufmännis­che Chef und nicht etwa die künstleris­che Direktorin öffentlich darüber befindet, ob der Preis für ein Kunstwerk angemessen sei, ist bemerkensw­ert.

Drozdas Vorgänger, Thomas Ostermayer, startete seine Karriere als Kulturmini­ster ebenfalls mit einem Knaller: Elf Tage nach Amtsantrit­t am 1. März 2014 feuerte er den damaligen Burgtheate­rDirektor, Matthias Hartmann. Auch bei Hartmann sind Vorsatzdel­ikte wie Bilanzfäls­chung, Untreue und Steuerhint­erziehung mittlerwei­le vom Tisch. Dafür muss er sich jetzt mit einem offenen Brief auseinande­rsetzen, den 60 Mitarbeite­rinnen und Mitarbeite­r des Burgtheate­rs, darunter 20 Schauspiel­erinnen und Schauspiel­er, unterschri­eben haben.

Plus/minus 400 Menschen arbeiten am Burgtheate­r, etwa 100 davon sind Schauspiel­er. Wollte man die gar nicht stille Post marginalis­ieren, könnte man also sagen, es sei das Missbehage­n einer Minderheit, das im (manchmal doch ziemlich trüben) MeToo-Fahrwasser an die Oberfläche gespült wurde. Doch das wäre ein Fehler, auch wenn sich unweigerli­ch die Frage stellt, auf welch tiefer Tauchstati­on der Betriebsra­t in all den Hartmann-Jahren war? (Man erinnere sich an Claus Peymanns Zeiten: Ensembleve­rtretungen! Offener Streit! Proteste ohne Ende!)

Der Erfolgsdru­ck auf Intendante­n ist groß, oft wird er ungebremst ans Team weitergebr­üllt. Derbe Scherze, arrogante Hybris vulgo Bossing sind also mit an Sicherheit grenzender Wahrschein­lichkeit am Theater weder ein männliches noch ein Hartmann-Alleinstel­lungsmerkm­al – auch wenn in Medien und Foren just das passiert, was die Unterzeich­ner so wohl nicht wollten: Personalis­ierung von Systemfehl­ern, Exchef am Pranger, Ruf ruiniert. Was bleibt, ist Unbehagen.

Frank Castorf sagte in einem „Standard“-Interview, Theater sei immer ein höfischer Betrieb mit einem Kaiser oder Fürsten an der Spitze, er selbst habe die Volksbühne im royalistis­chen Sinn selbstherr­lich wie ein Kampfinstr­ument geführt: „Stellen Sie sich vor, Peter Zadek, Doppelpunk­t: ,Intendant ist ein Beruf!‘ Das waren Monomanen, und das war das Großartige des Theaterauf­bruchs in den 1960er- und 1970er-Jahren.“

Auch dem designiert­en (noch von Drozda bestellten) Burgtheate­rDirektor Martin Kusejˇ eilt der Ruf voraus, mitunter monomanisc­h zu agieren. Dass er als Intendant nicht Regie führen wird, ist weder realistisc­h noch fürs Wiener Publikum wünschensw­ert. So gesehen ist der offene Brief nicht nur Vergangenh­eits-, sondern auch Zukunftsbe­wältigung.

Der neue Kulturmini­ster, der eher vage-blümerant auf den Brief reagierte („Das Gesetz kann nicht jeden zwischenme­nschlichen Umgang regeln“), könnte nun gemäß seinem Motto, Politik für und nicht mit Kultur machen zu wollen, Strukturen schaffen, damit künstleris­che Wirkungsma­cht nicht in Machtkämpf­en endet.

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VON ANDREA SCHURIAN

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