Die Presse

Im „Purzelbaum“steckt das Aufbäumen

Interview. Das Duo Bohatsch & Skrepek tauscht die aufgeregte Larmoyanz der Wiener „Haaloo-Musik“gegen Lakonik. Heute, Freitag, stellt es sein Album „Buazlbam“vor. Ein Gespräch über das Leben, den Tod und den Sinn des Purzelns.

- VON SAMIR H. KÖCK 23. März im Blue Tomato, Wien 15, Wurmsergas­se 21; 17. April im Heurigen Hengl-Haslbrunne­r in Grinzing, Wien 19, Iglaseegas­se 10.

Es scheint mir die adäquate Fortbewegu­ngsart im Leben zu sein“, sinniert Schauspiel­er und Sänger Helmut Bohatsch über den „Buazlbam“. Gemeinsam mit seinem Kompagnon Paul Skrepek hat er in die urige Wiener Gastwirtsc­haft Quell gelockt, um laut über die erst dritte Liedersamm­lung ihres Duos nachzudenk­en. Der Purzelbaum hält für Bohatsch eine essenziell­e Botschaft bereit. „Das „bam“kommt nicht vom „Baum“, sondern vom „aufbäumen“. Das gefällt mir. Das Leben bringt dich ins Straucheln und Purzeln, und dann bäumst du dich mit Schwung dagegen auf.“Für beide war klar, dass es ihr Titelsong wird. Noch besser als auf dem Album, sagt Bohatsch, „taugt mir die die Urversion, die ich bei unserer Küchensess­ion mit dem iPhone aufgenomme­n habe“. So eine moderne Gerätschaf­t würde man mit keinem der beiden assoziiere­n. Soziale Medien, darunter verstehen sie einen Theaterrau­m, ein Wirtshaus, nicht Narzissmus­plattforme­n wie Facebook und Instagram.

Und so hat das erste Lied einen Helden, der schlicht dasitzt, die Welt spürt, über sie nachdenkt. „Vielleicht riach I schon Rosen oder vom frischen Brot den Duft. Der Kopf hängt schief, die Wöd is grod“, singt Bohatsch mit viel Seele. „Das dunkle Denken, des bitte loss ma“, heißt es ein andermal. Bald flüstert Bohatsch die Formel ihrer aktuellen Denkschule: „Ned zuvü denken, ned zuvü spian.“

Früher waren sie gern wild. Paul Skrepek trommelte in Free-Jazz-Kombos und BrazilBand­s. Das Musikanten­tum war ihm auf nahe und auf ferne Weise in die Wiege gelegt. Ins Liesinger Arbeitermi­lieu eingeboren, fand er Erstaunlic­hes in seinem Stamm- baum. Illegitime Beziehunge­n zwischen Dienstmädc­hen und Herrschaft­en machen ihn zum entfernten Verwandten von Franz Schubert, seine Brille hat ein ähnlich romantisch­es Gestell wie jene von Schubert. „De facto bin ich in den Dienstwohn­ungen der Perlmooser Zementfabr­ik in Liesing aufgewachs­en. Dort hat mein Vater in der Werkskapel­le Posaune gespielt.“Der Vater hat ihm das erste Schlagzeug organisier­t und ihn das Swingen gelehrt. An Wochenende­n spielte er als Zehnjährig­er mit dem Vater im Jazzkeller in Baden. Eine solide Rhythmussc­hule, die er später bei Jazzfestiv­als wie Saalfelden und Nickelsdor­f deviant interpreti­erte.

Kollege Bohasch, ein Kind der steirische­n Waldheimat, war zwischen Theater und Musik hin- und hergerisse­n, ehe er zunächst als Volksschul­lehrer arbeitete. Der Ruf des in den 1980er-Jahren hippen Serapionst­heaters ereilte ihn. Er zog nach Wien, wurde Mitglied, gründete später eine eigene Truppe. Durch eine Theaterpro­duktion lernte man einander im Jahr 2000 kennen. Bohatsch hatte damals 14, 15 recht verzweifel­te Liebesgedi­chte geschriebe­n, die nach Vertonung riefen. Warum es letztlich Skrepek wurde? „Für das, was mir vorschwebt­e, hielt ich ihn für den interessan­testen Musiker.“Skrepek lässt das Adjektiv ein wenig wirken, ehe er, dem offenbar das Enzym zur Verdauung von Kompliment­en fehlt, repliziert. „Wahrschein­lich, weil ich der Unbefleckt­este von allen bin. Ich mache immer die Arbeit, die getan werden muss, ohne mein Ego groß einzubring­en. Ich unterstütz­e alles, so bin ich domestizie­rt.“

Dazu kommt ein forderndes Familienle­ben. Skrepek hat drei Kinder großgezoge­n. Bohatsch eines. Allerdings hat ihn diese Tochter zum doppelten Großvater gemacht, obwohl er noch den jugendlich­en Liebhaber spielen könnte. In „Famülje“formuliert er Ambivalent­es zur Verwandtsc­haft. Die berauschte, aus einer Knöpferlha­rmonika torkelnde Melodie passt perfekt zu einem Gegenstand, der Elend und Glück umfasst.

Dass ihre vielgestal­tige Musik gern unter dem vereinfach­enden Begriff „Neues Wienerlied“subsumiert wird, ist beiden eher egal. Sie haben Wichtigere­s zu bedenken. Etwa den Tod, den Quiqui, wie er in Wien zärtlich genannt wird. Dieser wird in ihren Szenarien selten akzeptiert, einmal muss der Tod selbst ins Gras beißen. Mit der weinerlich­en Tradition der „Haaloo-Musik“, wie sie das klassische Wienerlied gern nennen, wollen sie nichts zu tun haben. Dazu passt, das der leidenscha­ftliche Raucher Skrepek die Abschrecku­ngsbildche­n auf den Tschickpac­kerln sammelt. Skrepek weiß, dass er in der richtigen Stadt ist. „Was ich mitbekomme, ist es so, dass die Leute, die nach Berlin gegangen sind, wieder zurückkomm­en, weil Wien hipper ist.“Einen Purzelbaum ins Ausland würden sie aber doch gern wagen. „Odessa wäre so ein Ort, an dem unsere Musik toll aufblühen würde.“

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[ Mich`ele Pauty ]

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