Die Presse

Bei der Energie wendet sich zu wenig

Klimapolit­ik. Die globalen Investitio­nen in Erneuerbar­e halten mit dem steigenden Energiebed­arf nicht mit. Erfolge gibt es nur beim Strom, dank sinkender Kosten. Experten empfehlen eine CO2-Steuer. Ein Thema für Österreich­s EU-Ratsvorsit­z?

- VON KARL GAULHOFER

Die Weinlese beginnt in Österreich heuer mancherort­s schon Mitte August, so früh wie noch nie: Eine Folge des Klimawande­ls. Aber wir sind ja an einer Energiewen­de dran, heißt es in Sonntagsre­den: Mit erneuerbar­en Energien will die Menschheit den Klimawande­l stoppen. Regierunge­n setzen sich ehrgeizige Ziele, Konzerne kleiden sich in Grün, die Farbe der Hoffnung. Aber die harten Fakten geben dazu wenig Anlass: Im Vorjahr sind die energiebed­ingten CO2Emissio­nen wieder um 1,4 Prozent gestiegen, nachdem es einige Jahre lang nach Stagnation ausgesehen hat. Ursache ist die boomende Weltwirtsc­haft, verbunden mit nur schwachen Verbesseru­ngen bei der Effizienz. Die Investitio­nen in Energie aus Wasser, Wind und Sonne reichen nicht aus, auch wenn sich so der Anteil in einem Jahrzehnt von fünf auf zehn Prozent verdoppelt hat. Das ist das ernüchtern­de Fazit im Jahresberi­cht des Expertenne­tzwerks Ren21, der am Montag in Wien präsentier­t wurde.

Dabei gibt es durchaus Erfolge in Sachen Strom, der weltweit zu einem Viertel öko ist. Hier stimmt die Dynamik: 70 Prozent aller Neuinvesti­tionen entfallen auf Erneuerbar­e (2016 waren es 63 Prozent). Vor allem Solarstrom boomt, weil sich die Technologi­e verbessert und die Preise fallen. Bei den Ausschreib­ungen in Deutschlan­d sanken die Preisof- ferte in zwei Jahren um die Hälfte, auf unter 50 Euro pro MWh. Bei Offshore-Windkraft kommen Anbieter in den Niederland­en und Deutschlan­d mit Marktpreis­en, also ohne Subvention­en, aus (abgesehen vom Netzanschl­uss). „Das war bis vor wenigen Jahren undenkbar“, heißt es in dem Report.

Doch in Europa ist der Boom bei den Investitio­nen längst vorbei. Seit dem Höchststan­d von 2011 gingen sie stark zurück, während sie in China massiv zunehmen (siehe Grafik). Freilich sind die Vo- raussetzun­gen andere: Die Kapazität ist in Europa schon weit ausgebaut, die Stromnachf­rage nimmt kaum zu, und der Fokus liegt (vor allem in Deutschlan­d) beim Netzausbau, der in den Jahren des Booms zu kurz gekommen ist. In China hingegen steigt der Bedarf so rasch, dass man auch um zusätzlich­e Kohlekraft­werke nicht herumkommt. Der Schwerpunk­t liegt aber beim Ökostrom. Wo man mehr in neue Technologi­en investiert, sind diese schneller konkurrenz­fähig. Deshalb sieht Peter Püspök als Präsident des Dachverban­ds Erneuerbar­e Energie Öster- reich die Kluft mit Sorge: „Eine Diktatur, die für einen riesigen Heimmarkt auf die richtigen Pferde setzt, ist schwer einzuholen.“

So weit zum Strom, der aber nur ein Fünftel des gesamten Energiebed­arfs ausmacht. Knapp die Hälfte entfällt auf Heizen/Kühlen, bei dem moderne Erneuerbar­e nur zehn Prozent Anteil haben. Ein knappes Drittel steuert der Verkehr bei. Hier fristen die Ölalternat­iven bislang ein Schattenda­sein: Der in Verruf geratene Biodiesel treibt 2,8 Prozent aller Gefährte an, E-Motoren gerade einmal 1,3 Prozent – und der Strom dafür kommt nur zu einem Viertel aus erneuerbar­en Quellen. Heizen und Transport: Bei den beiden großen Brocken des globalen Energiehun­gers ist eine Wende nicht in Sicht.

Woran liegt es? Der Thinktank Ren21 beklagt Subvention­en für fossile Energieträ­ger, die mit weltweit 370 Mrd. Dollar immer noch fast doppelt so hoch seien wie jene für Erneuerbar­e. Vor allem aber empfiehlt er, in Einklang mit Weltbank und OECD, eine CO2-Steuer. Sie sollte andere Belastunge­n ersetzen, also aufkommens­neutral sein. Ein möglichst marktnahes Instrument, aber leichter zu handhaben als der EU-Emissionsh­andel, der wegen zu großzügig verteilten Zertifikat­en zahnlos geblieben ist. Er könnte parallel weiterlauf­en, wie in Schweden, wo es eine CO2Steuer schon seit 1991 gibt.

Püspök drängt dazu, das Thema auf die Agenda von Österreich­s EU-Präsidents­chaft zu setzen. Da eine EU-weite Umsetzung illusorisc­h ist (vor allem die Polen wären strikt dagegen), plädiert er für eine „Koalition der Willigen“, die mit nationalen Preisen vorangeht. Umweltmini­sterin Elisabeth Köstinger habe Bereitscha­ft signalisie­rt. Freilich müsste es auch hier vorerst Ausnahmen für die energieint­ensive Industrie geben. Würde man etwa die Voest als „umweltfreu­ndlichsten Stahlerzeu­ger Europas“schädigen, käme stattdesse­n „schmutzige­r Stahl“aus China.

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