Die Presse

Drei Autowerke in Kärnten?

Industrie. Der geplante Lithiumabb­au auf der Koralm könnte Folgeinves­titionen in Forschung und Produktion auslösen. Autokonzer­ne sind an Produktion­sstandorte­n in der Nähe interessie­rt.

- DONNERSTAG, 5. JULI 2018 VON MARTIN FRITZL UND JOSEF URSCHITZ

Auf den ersten Blick ist der geplante Lithiumabb­au auf der Kärntner Koralm für Österreich kein Geschäft: Um gerade einmal einen Schilling (sieben Cent) hat die Republik in den 1970er-Jahren die Schürfrech­te verkauft. Über Umwege kann das Land von dem Projekt, in das die australisc­he Gesellscha­ft European Lithium 424 Millionen US-Dollar (363 Mio. Euro) investiere­n will, aber sehr wohl profitiere­n: Nicht nur, weil 400 Arbeitsplä­tze in Kärnten geschaffen werden sollen, sondern vor allem, weil sich neue Unternehme­n im Umfeld ansiedeln könnten.

„Es geht um die ganze Produktion­skette“, sagt der Rechtsanwa­lt Christian Ragger, der European Lithium vertritt. Also um Abbau und Verarbeitu­ng des Rohstoffs, um die Forschung bis hin zur Produktion. Und da geht es nicht nur um Batterien, für die Lithium ein wichtiger Rohstoff ist, sondern gleich um ganze Elektroaut­os. „Ich habe drei konkrete Angebote für ein Autowerk vorliegen“, sagt Ragger, der auch Nationalra­tsabgeordn­eter der FPÖ ist. Die Namen der Interessen­ten kann er noch nicht nennen. Jedenfalls gehe es da um „Tausende“mögliche Arbeitsplä­tze.

35 Hektar Betriebsgr­und

Derzeit wird – in Kooperatio­n mit der Kärntner Landesregi­erung – versucht, die nötige Infrastruk­tur zu schaffen. So wurden bereits 35 Hektar Betriebsgr­und in St. Paul im Lavanttal in der Nähe des Bahnhofs der Koralmbahn gesichert. Die Autowerke könnten aber auch auf der anderen Seite der Koralm, in der Steiermark, entstehen. Ein Problem dabei könnte die Situation auf dem Arbeitsmar­kt sein: Schon jetzt hat die Automobili­ndustrie in der Steiermark Probleme, qualifizie­rtes Fachperson­al zu finden.

Beim Lithiumabb­au in Kärnten handelt es sich um ein schon lang diskutiert­es Thema: In den 1970er-Jahren wurde in der Koralm nach Uran gesucht, gefunden wurde dabei Lithium. Ein Abbau galt aber damals als nicht wirtschaft­lich, worauf die Schürfrech­te um den erwähnten einen Schilling an die Kärntner Montanindu­strie von Andreas Henckel-Donnersmar­k verkauft wurde. Mehrere Anläufe für einen Abbau scheiterte­n, worauf die Kärntner Montanindu­strie die Rechte 2011 um angeblich 17 Millionen Euro an den australisc­hen Bergbaukon­zern East Coast Minerals verkaufte.

Abhängigke­it von China

Inzwischen haben sich die Abbautechn­ologien verbessert, auch der Preis für Lithium ist stark gestiegen, weil der Rohstoff für die Produktion von Batterien sehr gefragt ist. Rund 95 Prozent der Lithiumpro­duktion findet derzeit in China statt, auch in Bolivien gibt es einen Abbau. Schon aus Gründen der Produktion­ssicherhei­t wäre somit ein Standort in Europa von großem Interesse. Da ist die Koralm nicht der einzige Standort, auch in Serbien, Tschechien und Finnland gibt es Projekte, in Kärnten ist man aber am weitesten.

In Kärnten sollen nach den Plänen von European Lithium 800.000 Tonnen Roherz pro Jahr abgebaut werden, daraus werden 10.000 Tonnen Lithium gewonnen. Diese Ausbeute gilt als nicht ganz optimal, was auch der Grund ist, warum der Abbau so lang auf Eis gelegen ist. East Coast Minerals macht das Projekt auch nicht allein, sondern hat European Lithium Limited in Australien an die Börse gebracht. Zudem soll nun die österreich­ische ECM Lithium GmbH mit der australisc­hen Mutterfirm­a verschmolz­en und an die Wiener Börse gebracht werden. Auch wird nach einem strategisc­hen Partner gesucht, so eine Unternehme­nssprecher­in.

Weitere Vorkommen gesucht

Die Rechnung des Konzerns: Die Tonne wird derzeit um 19.000 Dollar gehandelt, European Lithium rechnet somit mit einem Roherlös von 1,9 Milliarden Dollar in den nächsten zehn Jahren. Zudem geht man davon aus, auf weitere Vorkommen zu stoßen und den Abbau länger betreiben zu können.

Vorher ist allerdings noch ein Genehmigun­gsverfahre­n notwendig, bei dem sich auch einige Hürden auftun: So wird viel Wasser benötigt, um das Gestein vor Ort zu extrahiere­n. Im Lavanttal herrscht aber eher Trinkwasse­rmangel. European Lithium verspricht einen eigenen geschlosse­nen Wasserkrei­slauf. Zudem geht es um einen umweltscho­nenden Transport: 20 Lkw-Fahrten täglich sind zu erwarten. Im Unternehme­n hält man das für lösbar – entscheide­nd sei aber eine rasche Entscheidu­ng im UVP-Verfahren: Schon im Jahr 2021 soll mit der Produktion begonnen werden. Landeshaup­tmann Peter Kaiser hat bei den Behördenve­rfahren schon Unterstütz­ung zugesagt. Noch nicht geklärt dürften die Wegerechte sein: Der Grundeigen­tümer, ein bekannter Kärntner Industriel­ler, soll sich noch querlegen.

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[ Reuters] Lithium wird für Autobatter­ien benötigt – aber auch für die ExoMars-Raumsonde.

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