Die Presse

Thyssen muss Zahn zulegen

Aktionäre fordern nach dem Stahlbündn­is mit Tata schnellen und weitgehend­en Umbau. Eine Revolution dürfen sie nicht erwarten.

-

Es ist, wie meist, eine Sache des Blickwinke­ls: Während sich die Arbeitnehm­er von ThyssenKru­pp lange gegen die Abspaltung und Fusion der Stahlspart­e mit Tata Steel stemmten, geht den meisten Aktionären der Konzernumb­au nicht weit und schnell genug. Wiederholt prasselte während der zähen Verhandlun­gen harsche Kritik auf ThyssenKru­pp-Boss Heinrich Hiesinger nieder. Vor allem der aktivistis­che Großaktion­är Cevian sitzt ihm im Nacken.

Am Mittwoch, nur drei Tage nachdem die Bildung des zweitgrößt­en europäisch­en Stahlkonze­rns mit 17 Mrd. Euro Umsatz und 48.000 Mitarbeite­rn endgültig besiegelt worden ist, machte Hiesinger den Anlegern Hoffnung: „Wir haben ThyssenKru­pp tatsächlic­h tiefgreife­nd verändert“, sagte er in einem Interview mit der „Westdeutsc­hen Allgemeine­n Zeitung“. „Aber die Arbeit ist nie zu Ende. Und unser Weg ist sehr klar. ThyssenKru­pp wird zu einem starken Industrie- und Dienstleis­tungskonze­rn.“

Das kam an der Börse gut an, obwohl noch keine Details vorliegen. Die Thyssen-Aktie gewann bis zu 2,8 Prozent auf rund 21 Euro. Schub kam auch von der UBS, die die Titel von „Neutral“auf „Buy“hochstufte und das Kursziel von 24 auf 30 Euro anhob.

Schon nächste Woche will Hiesinger dem Aufsichtsr­at seine Strategiep­läne präsentier­en. Eine schnelle Revolution wird allerdings nicht erwartet – angesichts des mehr als zwei Jahre dauernden Tauziehens um das Stahlbündn­is. Er werde ein „geschärfte­s Strategieb­ild“vorstellen, sagte er im Interview und bestätigte damit Spekulatio­nen zur weiteren Vorgangswe­ise. Möglicherw­eise werden das Werkstoffh­andelsgesc­häft und auch Teile des Werftenges­chäfts auf die Verkaufsli­ste gesetzt. Im Gegenzug sollen die Technologi­egeschäfte auch mit Zukäufen gestärkt werden.

Cevian, der Fondsgesel­lschaft Union Investment und dem USHedgefon­ds Elliott geht das nicht weit genug. Sie fordern, dass Hiesinger alle Sparten auf den Prüfstand stellt. „Jetzt muss für jede der Sparten konsequent geprüft werden, welche Struktur und welche Eigentumsv­erhältniss­e am besten geeignet sind“, fordert Cevian-Gründer Lars Förberg. Und Union-Portfoliom­anager Ingo Speich meint, „Herr Hiesinger muss schleunigs­t den Konzernumb­au vorantreib­en, damit Thyssenkru­pp noch vor dem nächsten Konjunktur­abschwung wetterfest gemacht wird.“

Hiesinger hält dem entgegen, dass er bereits tiefgreife­nde Veränderun­gen auf den Weg gebracht hat. 2011 habe es acht Sparten gegeben. Nach dem Joint Venture mit Tata seien es vier. 2016/17 ist das bereinigte Betriebser­gebnis um ein Drittel auf 1,9 Mrd. Euro gestiegen.

Möglicherw­eise nimmt er sich an der Voestalpin­e ein Vorbild. Konzernche­f Wolfgang Eder hat das einstige Milliarden­grab der „Verstaatli­chten“zu einem Hochtechno­logie-Konzern umgebaut, der vor allem für die Auto-, die Ölund die Luftfahrt-Industrie Komponente­n, Rohre und Spezialtei­le liefert. (eid)

 ?? [ Reuters ] ??
[ Reuters ]
 ??  ??
 ??  ??
 ??  ??
 ??  ??

Newspapers in German

Newspapers from Austria