Das mörderische Finale des Bashar al-Assad
Syrien. In Daraa und Quneitra droht die nächste humanitäre Katastrophe. Die Verbündeten des syrischen Diktators haben zu einer finalen Offensive angesetzt. Im Herbst wird wohl der Angriff auf die Nordprovinz Idlib folgen. Es wäre die militärische Entschei
Tunis/Damaskus. Was Russland unter Deeskalationszonen versteht, müsste allmählich klar geworden sein. Anders als beim letzten Treffen der Pro-Assad-Allianz in der kasachischen Hauptstadt Astana verkündet, ging es in Syrien nie darum, die Bewohner einzelner Regionen besser zu schützen und die Kriegsflamme Schritt für Schritt auszutreten. Stattdessen hatten die vor einem Jahr ausgerufenen Waffenstillstandsgebiete nur den Zweck, Diktator Bashar al-Assad und seinem russischen Verbündeten die Taktik im Kampf gegen die Aufständischen zu erleichtern.
Im Nebel der Friedensrhetorik wurden die Rebellengebiete der Reihe nach sortiert, um sie dann nacheinander zu erledigen. Im Frühjahr kapitulierte Ost-Ghouta, jetzt ist die Enklave in Südsyrien dran, bei deren Schutzvertrag 2017 auch die USA Pate gestanden waren. Seit die Rebellen von Daraa und Quneitra am Mittwoch ihre bedingungslose Kapitulation ablehnten, geht auch hier das Bombardement weiter. Die russische Luft- waffe, die syrische Armee und iranische Milizen legen nun den Rest in Schutt und Asche – nach Aleppo und Ost-Ghouta die nächste humanitäre Katastrophe in diesem mehr als siebenjährigen Horror. Im Herbst folgt dann wohl das letzte Kapitel, wenn sich die Angreifer die Nordprovinz Idlib mit ihren drei Millionen Menschen vornehmen.
Regime in Feierlaune
Militärisch ist der syrische Bürgerkrieg danach entschieden, ohne dass das Regime irgendwelche politischen Konzessionen machen musste. Bis auf die Kurdengebiete, die nie offen rebellierten, hat Assad die gesamte Restbevölkerung und jeden Zentimeter syrischen Bodens wieder unter Kontrolle. Entsprechend präsentiert sich das Regime in Feierlaune. Seine Verwaltung in den Kerngebieten blieb relativ intakt. Wasser und Strom fließen. Die heimische Gasproduktion könnte schon im nächsten Jahr wieder Vorkriegsniveau erreichen. Die Zitadelle von Aleppo erlebte das erste Musikfestival, das Nationalmuseum in Damaskus will demnächst seine Tore öffnen. Die Bahnverbindung zwischen Aleppo und Damaskus soll vielleicht schon im Spätsommer wieder funktionieren.
Derweil fühlen sich die Russen bei ihrem gegenwärtigen Blutbad nahe der jordanischen und israelischen Grenze diesmal auch von der Trump-Regierung stillschweigend gedeckt. Denn das Weiße Haus hat sich offenbar vor dem amerikanisch-russischen Gipfel in Helsinki am 16. Juli entschlossen, Wladimir Putin und Bashar al-Assad militärisch endgültig das Feld zu überlassen.
Diplomatisch ebnete der Kremlchef dieser Annäherung vor zwei Monaten den Weg, als er bei einem Überraschungsbesuch Assads in Sotschi erstmals öffentlich forderte, alle ausländischen Truppen müssten Syrien wieder verlassen. Auch Trump will mit seinen 4000 GIs raus aus dem syrischen Morast, obwohl er beim Pentagon damit bisher auf Granit beißt. Den lange vom Westen unterstützten Rebellen im Süden ließ der US-Präsident jedenfalls per WhatsApp mitteilen, sie könnten nicht mit einem amerikanischen Eingreifen rechnen. Stattdessen wollen Trump und seine Entourage nach dem Ende des „Islamischen Staates“künftig alles nur noch einem Ziel unterordnen: den Iran in die Knie zu zwingen. Bei diesem Kraftakt weiß er seinen engsten nahöstlichen Gesinnungsgenossen, Israels Premier Benjamin Netanjahu, genauso hinter sich wie die reichen Golfstaaten samt Saudiarabien.
Dafür will Washington vor allem sicherstellen, dass Moskau und Damaskus den Einfluss von Teheran beschneiden und die Iraner zum Abzug ihrer auf 80.000 Mann geschätzten schiitischen Milizionäre drängen. Auch für den Kreml liegt das im eigenen Interesse. Putin möchte die Kämpfe möglichst bald zu Ende bringen und seine Machtposition im Nachkriegssyrien zementieren.
Völlig offen ist jedoch, ob der russische Präsident genug Druckmittel in der Hand hat, seinen Kriegskomplizen Assad auf diese neue Linie gegen Teheran festzulegen. Der Diktator braucht die iranischen Hilfstruppen, um seine ausgebrannte Armee zu stabilisieren. Und er wünscht die Iraner im Land als Gegengewicht zu den Russen, auch wenn die Aversionen seiner Landsleute gegen die mittlerweile allgegenwärtige Präsenz der Islamischen Republik spürbar gestiegen sind.