Die unsichtbare Kunst des Instinktfußballers
N’Golo Kante´ ist der bisher beste Franzose bei dieser WM. Auf dem Platz ist der Mittelfeldmann aus der Pariser Vorstadt die rechte Hand des Teamchefs, privat ist er der Gegenpol zu seinen exzentrischen Teamkollegen.
Titelreif haben sich noch nicht viele Franzosen präsentiert. Kylian Mbappe´ hat ein starkes Spiel gemacht, Antoine Griezmann und Paul Pogba haben noch viel Luft nach oben. Bisher hat vor allem ein Mann geliefert: N’Golo Kante,´ der ob seiner 1,68 Meter auf den ersten Blick unscheinbare, in Wirklichkeit aber omnipräsente defensive Mittelfeldmann.
Gegen Australien und Peru war Kante´ der beste Spieler auf dem Platz, auch gegen Dänemark, obwohl er sich im abschließenden Gruppenspiel wie alle anderen Akteure zurückgehalten hat. Gegen Argentinien war er wieder einer der Schlüssel zum Sieg. Ohne dabei viel Aufmerksamkeit zu erregen hat er Lionel Messi aus dem Spiel genommen. Bei Kante´ wirkt alles völlig natürlich, jedes Tackling, jede Spieleröffnung, jedes Dribbling. „Seine Kunst ist so gediegen, dass sie unsichtbar wird“, schrieb der britische „Guardian“unlängst.
In England gelang Kante´ auch der Durchbruch. Aufgewachsen in einer kleinen Wohnung im Pariser Westen wurde der Sohn malischer Einwanderer erst im Alter von 22 Jahren Fußballprofi. Nachwuchsakademie hatte er keine besucht, Kante´ war schon damals ein Instinktfußballer. In Leicester war er einer der Leistungsträger beim historischen Meistercoup 2016. Als er den Klub danach verließ und bei Chelsea anheuerte (Ablöse: 35,6 Millionen Euro), erklärte Leicester- Erfolgscoach Claudio Ranieri, dass er soeben zwei Spieler verloren habe. Auch die Fans in den Midlands sprachen von den „Kante-´ Zwillingen“. Kurz zuvor hatte Alex Ferguson schon festgestellt, dass der Franzose „mit Abstand der beste Spieler der Liga“sei.
Bei Chelsea hat sich der 27-Jährige in seinem Offensivspiel weiterentwickelt. Vergleiche mit Claude Makel´el´e,´ Vizeweltmeister von 2006, ließen nicht lange auf sich warten. Auf Anhieb wurde Kante´ mit den Londonern englischer Meister, er wurde zum Spieler der Saison und zu Frankreichs Fußballer des Jahres gewählt.
Dennoch gilt Kante´ als Inbegriff der Bescheidenheit. Er kommt ganz ohne Social-Media-Auftritt aus, seine Teamkollegen erzählen, dass sie ihn in der Kabine manchmal gar nicht bemerken. Auf dem Platz aber ist er überall, kaum jemand erobert mehr Bälle, kaum jemand hat ein besseres Gespür für den nächsten Pass des Gegners. Niemals aber wird der Franzose beim Diskutieren mit dem Schiedsrichter zu sehen sein. Bemerkenswert für einen defensiven Mittelfeldmann: Die bisher letzte Gelbe Karte im Teamtrikot sah er vor zwei Jahren. Einen solchen Musterprofi weiß vor allem Disziplinfanatiker Didier Deschamps zu schätzen. Frankreichs Teamchef hat in seiner Auswahl schon genug Egotrips zu unterbinden. (joe)