Die Presse

„Warum sollen Flüchtling­szentren in Ägypten sein?“

Interview. Der ägyptische Außenminis­ter zeigt sich skeptisch gegenüber Plänen der EU.

- VON WIELAND SCHNEIDER

Wien. Flüchtling­e und Migranten, die auf dem Mittelmeer abgefangen werden, sollen in sogenannte Anlandepun­kte in Nordafrika gebracht werden. Dieser Vorschlag wird derzeit innerhalb der EU diskutiert. Als ein möglicher Ort für solche Zentren wird auch Ägypten genannt. Ägyptens Außenminis­ter, Sameh Shoukry, der am Freitag in Wien war, zeigt sich jedoch skeptisch: Das seien Ideen, die innerhalb der EU kursieren. „Wir wurden nicht konsultier­t“, sagt Shoukry im Interview mit österreich­ischen Journalist­en.

„Wir wissen noch immer nicht, was genau der Vorschlag ist.“Man habe von den Europäern nicht genügend Informatio­nen erhalten. „Was sollen diese Lager bringen, und warum sollen sie ausgerechn­et in Ägypten gebaut werden? Was bringt es, diese Zentren in Nordafrika zu errichten und nicht in Südeuropa?“In Ägypten habe es nie derartige Zentren für Flüchtling­e gegeben, meint der Außenminis­ter. „Ich sehe nicht, dass diese Politik in irgendeine­r Form geändert werden sollte.“

Shoukry erwartet Hilfe aus EU

Ägypten beherberge fünf Millionen Migranten und Flüchtling­e. „Wir versuchten immer, sie in unsere Gesellscha­ft zu integriere­n.“Er erwarte deshalb „zusätzlich­e Unterstütz­ung“aus Europa.

Seit September habe kein einziges Boot mit illegalen Migranten die ägyptische Küste verlassen – unter anderem wegen der ägyptische­n Patrouille­n, sagt Shoukry. „Das verursacht für uns hohe Kosten.“Kairo benötige deshalb Hilfe, etwa in Form von Überwachun­gsausrüstu­ng.

Der Außenminis­ter fordert von den Europäern, sich stärker mit den Wurzeln des Problems Flucht und illegale Migration auseinande­rzusetzen. Es müsse mehr getan werden, um die Konflikte im Nahen Osten und Subsahara-Afrika zu lösen und dort bessere ökonomisch­e Verhältnis­se herzustell­en. „Wir brauchen legale Migration in einer organisier­ten Form. Und wirtschaft­liche Entwicklun­gsprogramm­e.“

„Libyen hat eigene Probleme“

Dass die in der EU diskutiert­en Flüchtling­szentren in Ägyptens Nachbarlan­d Libyen errichtet werden, kann sich Shoukry nur schwer vorstellen: „Libyen hat viele eigene Probleme. Seine Institutio­nen haben nicht die volle Kontrolle über das Land. Aber ich kann nicht für Libyen sprechen.“

In Libyen tobt ein Machtkampf zwischen der internatio­nal anerkannte­n Regierung und zahlreiche­n bewaffnete­n Kräften. Die Regierung in Kairo hat dabei zuletzt vor allem den libyschen General Khalifa Haftar unterstütz­t, der mit seiner Nationalen Armee im Osten Libyens aktiv ist. Ägyptens Außenminis­ter weist zurück, dass sich Kairo damit auf eine Seite im libyschen Bürgerkrie­g schlage. „Wir arbeiten mit allen zusammen – ausgenomme­n mit Milizen, die radikale Ideologien vertreten.“

Ägyptens Präsident, Abdel Fatah al-Sisi, regiert das Land autoritär. Internatio­nale Organisati­onen werfen Ägyptens Behörden massive Verstöße gegen die Menschenre­chte vor. Außenminis­ter Shoukry bestreitet dies und spricht von „vielen Übertreibu­ngen.“Angesproch­en auf ganz konkrete Fälle wie den des verhaftete­n Bloggers Wail Abbas sagt er: „Wenn etwas außerhalb des Spektrums der Legalität geschieht, muss sich die Justiz damit beschäftig­en. Und es können in anderen Teilen der Welt Dinge strafbar sein, die es in Europa nicht sind.“

 ?? [ Imago ] ?? Ägyptens Außenminis­ter, Sameh Shoukry.
[ Imago ] Ägyptens Außenminis­ter, Sameh Shoukry.

Newspapers in German

Newspapers from Austria