Der seltsame Eiertanz ums Urlaubsgeld
Rationalität scheint nicht die größte Stärke des Homo Austriacus zu sein.
U rlaubs- und Weihnachtsgeld seien eine ernsthafte Bedrohung für die Liquidität von Unternehmen, hat ein Gastkommentator gestern in der „Presse“festgestellt. Kann man so sehen – wenn man Unternehmern jegliche Planungskapazität abspricht und davon ausgeht, dass diese Zahlungen jedes Mal völlig überraschend über die Wirtschaft hereinbrechen.
Man kann es aber auch anders betrachten: Wir haben eine Jahres-Einkommensbesteuerung, und viele Unternehmen geben in Stelleninseraten Jahres-Bruttoeinkommen an. „Sonderzahlungen“sind also definitiv ein ganz normaler Gehaltsbestandteil. Bei dieser Betrachtungsweise werden Arbeitnehmern eigentlich 16,6 Prozent des vereinbarten Bruttogehalts vorenthalten und zweimal im Jahr in Form von „Sonderzahlungen“ausgeschüttet. In diesem Fall hätten wir es mit einer Art von unverzinstem Lohn-Zwangssparen zu tun, das die Liquidität der Unternehmen in zehn von zwölf Monaten sogar verbessert.
In einem Land, in dem besser verdienen nicht als Leistungsnachweis, sondern als zu versteckender Makel gilt, steckt natürlich Logik dahinter: So kann man seine offenbar unverdienten Einkünfte kleinerrechnen. Die Krönung dieser seltsamen Einstellung war in den Achtzigerjahren jener Wiener Messedirektor, der sich seine Gage auf 21,5 „Monatsgehälter“aufteilen ließ, die dann natürlich austrokompatibel niedrig waren. I n einem im 21. Jahrhundert angekommenen Land könnte man dieses System natürlich einfach modernisieren: Man erhöht die Monats-Bruttogagen um 16,6 Prozent, streicht im Gegenzug Urlaubs- und Weihnachtsgeld und rechnet die „Sechstelbegünstigung“, mit deren Hilfe Sonderzahlungen niedrig versteuert werden, einfach in den Einkommensteuertarif ein.
Damit hätten wir dann auf- und einkommensneutral ein transparenteres Lohnsystem geschaffen, in dem weder Arbeitnehmer vermeintliche Sonderprivilegien verteidigen noch Arbeitgeber gegen solche „Privilegien“ankämpfen müssten. Wir werden es aber nicht bekommen, denn Rationalität scheint nicht die größte Stärke des Homo Austriacus zu sein.