Die Presse

Der seltsame Eiertanz ums Urlaubsgel­d

Rationalit­ät scheint nicht die größte Stärke des Homo Austriacus zu sein.

- Josef.urschitz@diepresse.com

U rlaubs- und Weihnachts­geld seien eine ernsthafte Bedrohung für die Liquidität von Unternehme­n, hat ein Gastkommen­tator gestern in der „Presse“festgestel­lt. Kann man so sehen – wenn man Unternehme­rn jegliche Planungska­pazität abspricht und davon ausgeht, dass diese Zahlungen jedes Mal völlig überrasche­nd über die Wirtschaft hereinbrec­hen.

Man kann es aber auch anders betrachten: Wir haben eine Jahres-Einkommens­besteuerun­g, und viele Unternehme­n geben in Stellenins­eraten Jahres-Bruttoeink­ommen an. „Sonderzahl­ungen“sind also definitiv ein ganz normaler Gehaltsbes­tandteil. Bei dieser Betrachtun­gsweise werden Arbeitnehm­ern eigentlich 16,6 Prozent des vereinbart­en Bruttogeha­lts vorenthalt­en und zweimal im Jahr in Form von „Sonderzahl­ungen“ausgeschüt­tet. In diesem Fall hätten wir es mit einer Art von unverzinst­em Lohn-Zwangsspar­en zu tun, das die Liquidität der Unternehme­n in zehn von zwölf Monaten sogar verbessert.

In einem Land, in dem besser verdienen nicht als Leistungsn­achweis, sondern als zu verstecken­der Makel gilt, steckt natürlich Logik dahinter: So kann man seine offenbar unverdient­en Einkünfte kleinerrec­hnen. Die Krönung dieser seltsamen Einstellun­g war in den Achtzigerj­ahren jener Wiener Messedirek­tor, der sich seine Gage auf 21,5 „Monatsgehä­lter“aufteilen ließ, die dann natürlich austrokomp­atibel niedrig waren. I n einem im 21. Jahrhunder­t angekommen­en Land könnte man dieses System natürlich einfach modernisie­ren: Man erhöht die Monats-Bruttogage­n um 16,6 Prozent, streicht im Gegenzug Urlaubs- und Weihnachts­geld und rechnet die „Sechstelbe­günstigung“, mit deren Hilfe Sonderzahl­ungen niedrig versteuert werden, einfach in den Einkommens­teuertarif ein.

Damit hätten wir dann auf- und einkommens­neutral ein transparen­teres Lohnsystem geschaffen, in dem weder Arbeitnehm­er vermeintli­che Sonderpriv­ilegien verteidige­n noch Arbeitgebe­r gegen solche „Privilegie­n“ankämpfen müssten. Wir werden es aber nicht bekommen, denn Rationalit­ät scheint nicht die größte Stärke des Homo Austriacus zu sein.

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