Die Presse

Ältester Fund von Homers „Odyssee“?

Die Tonplatte enthält 13 Verse aus dem Epos. Archäologe­n fanden sie in der antiken Stätte von Olympia.

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Deutsche und griechisch­e Archäologe­n haben bei Ausgrabung­en am Ort des antiken Olympia eine gravierte Tonplatte mit Versen von Homers „Odyssee“gefunden. Sie bezeichnen den Fund als ältesten bekannten Auszug des Epos. Das griechisch­e Kulturmini­sterium, das diese Nachricht am Dienstag gemeldet hat, weist darauf hin, dass das Entstehung­sdatum – möglicherw­eise vor dem dritten Jahrhunder­t vor Christi – erst bestätigt werden müsse.

Auf der Tafel stehen 13 Verse aus dem 14. Gesang geschriebe­n. Geschilder­t wird eine Begebenhei­t nach Odysseus’ Irrfahrt und seiner Rückkehr auf die Insel Ithaka: das erste Wiedersehe­n mit seinem treuen Schweinehi­rten Eumaios – den Homer immer wieder den „göttlichen Sauhirten“nennt. Eumaios ist der erste Mensch, den Odysseus in Ithaka aufsucht, er gibt sich nicht zu erkennen, überzeugt sich aber bald von der Loyalität seines Dieners.

Zu den bisher ältesten fragmentar­ischen Textzeugni­ssen gehören der Berliner Homer-Papyrus aus dem dritten Jahrhunder­t v. Chr. und der Londoner Homer-Papyrus aus der ersten Hälfte des zweiten Jahrhunder­ts. Komplette Abschrifte­n aus der Antike sind nicht erhalten. Die Forschung geht davon aus, dass erste schriftlic­he Fassungen der „Odyssee“im späten 8. Jahrhunder­t v. Chr. entstanden, nach zunächst mündlicher Überliefer­ung durch fahrende Sänger. Der Tyrann Peisistrat­os ließ in Athen im 6. Jh. v. Chr. eine textkritis­che Fassung auf Staatskost­en anfertigen – was auch beweist, wie hoch Homer bereits damals geachtet wurde.

Niederschr­iften der „Odyssee“wie der „Ilias“kursierten schon vor Christi Geburt vermutlich in großer Zahl, allerdings bis in frühhellen­istische Zeit mit oft starken Text-Unterschie­den. Allerdings bemühten sich schon hellenisti­sche Gelehrte im Umkreis der Bibliothek von Alexandria mit textkritis­chen Methoden um Fassungen, die wahrschein­lich den Athener Versionen entsprache­n. Deswegen gehen Forscher auch davon aus, dass die heutigen Fassungen im Wesentlich­en der ursprüngli­chen Form entspreche­n. Die älteste erhaltene vollständi­ge HomerHands­chrift entstand erst zwei Jahrtausen­de nach seiner Entstehung: im Konstantin­opel des 12. Jahrhunder­ts. (sim)

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