Der Weg ist frei für Serena Williams
Wimbledon. Zwei Siege trennen die 36-Jährige von Margaret Courts Rekord. Während sich ihre größten Rivalinnen schon verabschiedet haben, scheint es, als habe die Mutterschaft die US-Amerikanerin vom Erwartungsdruck befreit.
Die Nummern zehn, zwölf, 13 und 181 der Weltrangliste spielen heute um den Finaleinzug in Wimbledon. Zumindest auf dem Papier hat sich die absolute Weltspitze also längs aus dem All England Club verabschiedet, ja nicht einmal ins Viertelfinale hat es eine Spielerin aus den Top Ten der (nicht immer Weltranglisten-konformen) Setzliste geschafft – eine Premiere in der langen Geschichte des Rasen-Grand-Slams.
Dem Damentennis mangle es an Siegertypen, sagen die einen, andere wiederum begrüßen den ständigen Kampf um den Tennisthron. Acht Mal hat der Name an der Nummer-eins-Position gewechselt, seit sich Serena Williams vor eineinhalb Jahren in die Babypause verabschiedet hat, so oft wie in sieben Jahren zuvor nicht. Derzeit ist Williams die Nummer 181, in Wimbledon ist sie immerhin als 25. gesetzt, auf dem Papier macht sie das aber immer noch zur schwächsten Halbfinalistin.
Während an der Spitze ihres Sports das Vakuum herrschte, hat die 36-Jährige die Geburt ihrer Tochter und ein lebensbedrohliches Blutgerinnsel gemeistert. Noch immer kämpft sie mit ihrem Gewicht. Bei ihrem Grand-SlamComeback vor sechs Wochen in Paris musste sie vor dem Achtelfinale verletzt aufgeben.
In Wimbledon aber, ihrem insgesamt vierten Turnier seit der Rückkehr, ist sie nur noch zwei Siege davon entfernt, Margaret Courts Rekord von 24 Major-Titeln einzustellen. Zuletzt drehte sie ihre Viertelfinalpartie gegen die groß auf- spielende Camila Giorgi. Williams blieb ruhig und servierte sich zum 3:6-, 6:3-, 6:4-Erfolg. Bei eigenem Aufschlag verlor sie nur 14 Punkte, ihr schnellstes Ass wurde mit 196 km/h gemessen.
War die US-Amerikanerin vor ihrer Babypause noch das ein oder andere Mal an den Erwartungen zerbrochen – etwa als sie bei den US Open 2015 mit dem Grand Slam vor Augen an der ungesetzten Roberta Vinci scheiterte –, scheint es, als habe die Mutterschaft sie vom Druck befreit. Beim bisher letzten Major-Titel 2017 in Melbourne spielte sie im Wissen, schwanger zu sein, frei auf. Und nun wirkt sie auch in Wimbledon wie die Ruhe in Person, selbst bei Satzrückstand wie gegen Giorgi. Courts Rekord scheint sie ebenfalls nicht aus dem Konzept zu bringen. „Irgendwie ist alles hier eine Überraschung. Wieder da zu sein, im Halbfinale zu stehen“, sagt sie.
Die Auslosung hat es durchaus gut gemeint mit Williams. Noch hatte sie es mit keiner Top-50-Spielerin zu tun, die Top Ten der Setzliste sind ohnehin gescheitert. Halbfinalgegnerin Julia Görges ist bei einem Major noch nie über das Achtelfinale hinausgekommen, Anfang Juni unterlag sie Williams in Paris 3:6, 4:6. Und im Finale am Samstag würde dann Angelique Kerber (WTA 10) oder Je¸lena Ostapenko (12) warten.
Machbare Aufgaben für eine siebenfache Wimbledon-Siegerin. 19 Partien hat Williams hier in Folge gewonnen, 2015 und 2016 triumphierte sie, 2017 war sie im siebenten Monat schwanger. (joe)