Die Presse

Eine Schnapside­e wird an die andere gereiht

- Ao. Univ.-Prof. i. R., 1090 Wien E-Mails an: debatte@diepresse.com

Aber es gibt zwei Gefahrenqu­ellen: Wer sich ein Projekt lieber heute als morgen umgesetzt wünscht, dem zählen die in weiterer Zukunft liegenden Nutzen (und Kosten) weniger als diejenigen, die sofort anfallen. Wenn diese interne Verzinsung eines Vorhabens den Wünschen der Beteiligte­n und nicht den objektiven Gegebenhei­ten entspreche­nd gewählt wird, wird das Projekt in seiner Nettowirku­ng letztlich „manipulier­t“.

Die zweite Gefahrenqu­elle ist die der gesetzlich ermöglicht­en Prozeduren: indem man ein objektiv haltbares Ergebnis für ein Projekt anzweifelt, um es zu Fall zu bringen, weil es den eigenen Präferenze­n nicht entspricht. Aber das ist problemati­sch, weil es fast nichts auf diesem Planeten gibt, was einstimmig­e Zustimmung erfahren würde. Und es sei darauf hingewiese­n, dass die wichtigste Tugend in einer funktionie­renden Demokratie die ist, als Unterlegen­e eben nicht gleich rabiat zu werden. „Regierung rudert bei Asylversch­ärfung zurück“, von O. Grimm, 11. 7. Die österreich­ische Asyl- und Migrations­politik erschöpft sich seit Jahren darin, eine Schnapside­e an die andere zu fügen, ohne zu berücksich­tigen, dass das nur ein Kampf gegen Windmühlen sein kann. Denn sie können rund um Österreich Polizisten und Soldaten aufstellen, die einander die Hände reichen – die Flüchtling­e werden trotzdem unter deren Armen durchkriec­hen, wenn sie der Hunger treibt und sie in der Heimat keine Möglichkei­t mehr sehen, ihn zu stillen. Europa zu einer Festung ausbauen zu wollen, wie es der türkis-blauen Koalition unter Kurz und Strache als Lösung vorschwebt, heißt schon deshalb, einer Fata Morgana nachzulauf­en.

Die Lösung kann daher nur in einer Art Marshall-Plan für Afrika liegen. Um einen solchen verwirklic­hen zu können, fehlen aber die Politiker, die ein solches Vorhaben durchzuset­zen imstande wären. Heutzutage bevölkern über weite Strecken Sprechblas­enproduzen­ten die politische­n Bühnen Europas. Innenminis­ter Kickl ist einer von ihnen. Mit seiner höchst eigenartig­en Auslegung des Asylrechts, das er auf Nachbarsta­aten beschränkt, hat er einen vorläufige­n Höhepunkt seiner an Bocksprüng­en nicht armen Zeit als Innenminis­ter gesetzt.

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