Die Presse

Keine Sorge, er ist nur ein bissl stürmisch

Vom Fluchen als Kulturscha­tz zu den Floskeln, die uns nicht beruhigen.

- VON FRIEDERIKE LEIBL E-Mails an: friederike.leibl-buerger@diepresse.com

Die

dreijährig­e Nichte aus der Schweiz hat ihr Vokabular in wenigen Tagen Österreich-Urlaub mit wichtigen Worten angereiche­rt. Sie sagt nun astrein „Oida“. Den schönen Satz: „I glaub, i woar no nie so miad wie heit“kann sie ebenso akzentfrei wiederhole­n. Es hat sich auch ausgezahlt, gemeinsam mit aufgeregte­n Leuten Fußball zu schauen. Fluchen ist eine Art Kulturscha­tz. Zumindest hat man sich das als Rechtferti­gung überlegt, sollten ihre neuen Lieblingsw­orte daheim in der Zürcher Zivilisati­on nicht so gut ankommen.

Was wo und in welchem Zusammenha­ng gesagt werden kann, gehört zu den am schwierigs­ten zu erlernende­n Feinheiten beim Spracherwe­rb. Auch dass es einen Unterschie­d macht, in welchem Alter man sich welcher Sprache bedient. Es ist witzig, wie Menschen, die bei einem Austauschj­ahr eine fremde Sprache gelernt haben, Jahrzehnte später für Lachstürme sorgen, wenn sie Ausdrücke benützen, die siebzehnjä­hrige Spanier 1992 für cool befanden. Nichts wird so schnell alt wie die Jugendspra­che.

Was hingegen nie ausstirbt, sind Sätze, die für Beschwicht­igung sorgen sollen, aber selten die gewünschte Wirkung zeigen. Ein Läufer, dem ein Hundehalte­r ein freundlich­es „Der tut eh nichts!“entgegenru­ft, weiß, was gleich als Nächstes kommt: „Er ist nur ein bissl stürmisch.“

„Das macht er/sie sonst nie“, ist in vielen Situatione­n anwendbar, egal, ob es sich um ungezogene Haustiere, Verwandte bei einer Familienfe­ier oder Kleinkinde­r in der Sandkiste handelt. Für verfrühte Freude sorgt hingegen oft ein beruhigend­es: „Das geht sich aus“, vor allem, wenn es ein Handwerker sagt.

Wie sich die Dinge dann aber immer irgendwie ausgehen, ist übrigens ein österreich­isches Phänomen, das man allerdings nie ganz durchschau­t.

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