Die Presse

Schnellere Verfahren? Ja, aber anders

Rechtspano­rama am Juridicum. Die Pläne der Regierung für ein rascheres UVP-Verfahren hält Jurist Ennöckl für verfassung­swidrig. Es müsse sich aber etwas ändern, meint Flughafenc­hef Ofner. Sind mehr Sachverstä­ndige die Lösung?

- VON PHILIPP AICHINGER

Wien. Großprojek­te sollen im Verfahren zur Umweltvert­räglichkei­tsprüfung (UVP) automatisc­h als genehmigt gelten, wenn die Behörde nicht innerhalb eines Jahres darüber entschiede­n hat. NGOs sollen künftig offenlegen müssen, dass sie mindestens hundert Mitglieder haben, damit sie am UVPVerfahr­en noch eine Parteistel­lung erhalten können. Während die Regierung mit diesen Ideen Großvorhab­en schneller möglich machen will, sehen Kritiker die Pläne nicht nur als problemati­sch, sondern auch als wenig effizient an, wie das letztwöchi­ge Rechtspano­rama am Juridicum zeigte.

„Man muss als Umweltrech­tler der Regierung fast dankbar sein“, meinte Daniel Ennöckl, Professor am Institut für Staats- und Verwaltung­srecht der Universitä­t Wien. Denn durch die Debatte gebe es nun so viel Aufmerksam­keit wie selten noch für das Thema. Inhaltlich hält Ennöckl aber sehr wenig vom Plan der Koalition.

So würde „ein ganz anderer Effekt eintreten“, als die Regierung meine. Denn die Behörde würde mit Blick auf die Jahresfris­t künftig dem Projektwer­ber sofort Verbesseru­ngen auftragen. Und wenn diese nicht rasch geschehen, das Vorhaben ablehnen. Denn nur so könne man Amtshaftun­gsansprüch­e von Nachbarn abwenden, die bei einer automatisc­hen Genehmigun­g des Projekts nach einem Jahr sonst entstehen könnten. Überhaupt würden die Probleme woanders liegen, meinte der Jurist. Nämlich daran, „dass die Sachverstä­ndigenappa­rate in den Ländern ausgedünnt wurden“und deswegen Gutachten nicht zeitgerech­t einlangen. Hier müsste man für eine Beschleuni­gung sorgen, meinte Ennöckl. Die jetzigen Pläne der Regierung hält er hingegen für verfassung­s- und europarech­tswidrig.

Momentan sei es aber zu leicht, ein wichtiges Projekt zu blockieren, wandte Günther Ofner, Vorstand der Flughafen Wien AG, ein. Der Flughafen musste lang um die dritte Piste kämpfen, die inzwischen vom Bundesverw­altungsger­icht genehmigt wurde. „Es genügt Hauptschul­wissen, um ein Verfah- ren zehn Jahre in die Länge zu ziehen“, meinte Ofner. „Es muss ein Neuerungsv­erbot geben“, forderte er und meinte damit, dass nicht inmitten des Verfahrens wieder neue Einwände erhoben werden können sollen.

Und: „Es kann nicht jeder behaupten, ich bin eine NGO, und in Wahrheit bin ich eine andere“, kritisiert­e Ofner, der strengere Regeln für Verfahrens­beteiligte forderte. Jetzt könne man zwar grundsätzl­ich darüber diskutiere­n, was man ändern müsse und was nicht. „Aber zu sagen, dass alles so bleiben soll wie bisher, ist eine Verkennung des gewaltigen Schadens, der unserer Volkswirts­chaft entsteht“, meinte Ofner.

„Rote Linie überschrit­ten“

Leonore Gewessler, Politische Geschäftsf­ührerin von Global 2000, sieht im Regierungs­entwurf „eine rote Linie überschrit­ten“. Sie verspricht: „Wir werden uns als Umweltschu­tz-NGO dagegen zur Wehr setzen.“So gehe es der Regierung nur darum, eine zusätzlich­e Hürde für NGOs zu schaffen, wenn sie Mitglieder­listen verlange.

An sich sei das bestehende System in Österreich ein gutes, meinte sie, nun aber werde Rechtsunsi­cherheit geschaffen. Es stimme nicht, dass UVP-Verfahren lang dauern müssten. So liege die durchschni­ttliche Dauer bei zehn Monaten. Selbst Großprojek­te wie der Wiener Hauptbahnh­of seien schnell erledigt worden.

Wenn man den anderen Rednern zuhöre, könne man meinen, die Personen würden auf unterschie­dlichen Planeten leben, analysiert­e Wilhelm Bergthaler, Rechtsanwa­lt und Honorarpro­fessor für Umweltrech­t an der Universitä­t Linz. Tatsächlic­h gebe es auch so etwas wie zwei Welten bei der UVP. In der Industrie sei diese in der Regel kein großes Problem. Aber bei Infrastruk­turprojekt­en könnte die Prüfung viele Jahre dauern, erklärte der Jurist.

Er schlug vor, prozessual­e Elemente aus der Zivilproze­ssordnung (ZPO) in das Genehmigun­gsverfahre­n zu übernehmen, sodass man nicht jederzeit etwas Neues einwenden könne. Auch findet Bergthaler es „nicht so problemati­sch“, wenn man von NGOs verlangt, eine gewisse Zahl an Mitglieder­n zu haben, damit diese Partei- stellung erhalten. Überhaupt müsse man sicherstel­len, dass nur wirklich Betroffene sich in das Verfahren einschalte­n. „Und dass nicht Bobos, die in der Stadt wohnen, sich auf dem Land einmengen wollen.“Beim Entwurf der Regierung sieht aber auch Bergthaler noch Verbesseru­ngsbedarf: „Man hat erst den Bihänder ausgepackt“, analysiert­e er. Nun solle man mit dem Skalpell statt mit dem Bihänder über den Entwurf gehen.

Wer braucht die NGOs?

Warum man in manchen Verfahren Dinge noch einmal prüfen müsse, legte Kathrin BaumannSta­nzer von der Zentralans­talt für Meteorolog­ie und Geodynamik dar. Sie ist Sachverstä­ndige für Luftschads­toffe und Klima. „Für uns ist der Stand der Technik ganz wichtig“, erklärte sie. Ebendieser könne sich im Lauf eines Genehmigun­gsverfahre­ns auch ändern, und dann müsse man eben erneut prüfen. Man denke hier zum Beispiel nur an die Emissionen von Dieselfahr­zeugen, erklärte Baumann-Stanzer.

Wie ist das nun mit der Rolle der NGOs? „Sie können davon aus- gehen, dass wir ein Unternehme­n sind, das überhaupt kein Problem mit NGOs hat“, erklärte Flughafenc­hef Ofner. Aber manches sei schon eigenartig. So habe er bei einer Demo gegen die dritte Piste mit einem Demonstran­ten gesprochen. Der habe ihm erklärt, dass er aus Brüssel komme. Auf die Frage, wie er dann zur Demo gekommen sei, habe der Mann geantworte­t: „Na ja, mit dem Flugzeug.“

Ennöckl wiederum strich den Mehrwert durch NGOs hervor. Denn Anrainer könnten im Verfahren nur ihre subjektive­n Probleme geltend machen, aber nicht objektive wie den Wasser- oder Klimaschut­z. „Darum müssen die Bürgerinit­iativen dann zu den NGOs betteln gehen, damit sie sich darum kümmern, weil sie Parteistel­lung haben“, erklärte Ennöckl. Nun eine bestimmte Zahl von Mitglieder­n der NGOs für ihr Einschreit­en zu fordern, sei schon „eine kleine Bosheit“. Denn zwei Drittel der NGOs in Österreich würden keine Mitglieder­struktur haben. Auch zum Selbstschu­tz, damit sie nicht von der falschen Seite übernommen werden können, meinte der Jurist.

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[ Clemens Fabry (6) ] Im Dachgescho­ß des Wiener Juridicums wurde über mögliche Verfahrens­verbesseru­ngen rund um Großprojek­te diskutiert.

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