Die Presse

Banksy: Zerstörung­sdrang ohne Rechtsfolg­en

Kunst. Wenn ein Künstler ein versteiger­tes Werk ohne Zustimmung des Erstehers zerschneid­et, müsste er nach herkömmlic­hen Regeln Schadeners­atz leisten. Im jüngsten Fall könnte das Werk allerdings eher an Wert gewonnen haben.

- Mag. Dominik Loidl ist Rechtsanwa­ltsanwärte­r bei Vavrovsky Heine Marth Rechtsanwä­lte.

VON DOMINIK LOIDL

London. Vorige Woche ging das Bild „Girl with Balloon“, geschaffen vom populären zeitgenöss­ischen Künstler Banksy, im Moment nach dem Auktionszu­schlag um die Welt. Dies nicht, weil sich eine Käuferin gefunden hatte, die bereit war, für eines der wohl bekanntest­en Bilder Banksys mehr als 1,1 Millionen Euro zu zahlen, sondern weil das Bild unmittelba­r nach der Versteiger­ung durch einen von Banksy im vergoldete­n Bilderrahm­en versteckte­n Schredder lief und so die untere Bildhälfte in viele schmale Streifen zerschnitt­en wurde.

Diese Aktion sorgte sowohl für Banksy als auch für das durchführe­nde Auktionsha­us Sotheby’s für weltweit wirksames Marketing. Die Frage nach dem Gemüt der erfolgreic­hen Käuferin, die anstatt des Bildes nur noch Bildstreif­en bekommen wird, blieb für viele offen. Doch welche Konsequenz­en hätte eine solche Aktion in Österreich für die Beteiligte­n?

Der Kaufvertra­g

Die Käuferin, deren Identität geheim ist, legte ihr Angebot per Telefon an das Auktionsha­us. Dieses finale Gebot wurde nicht mehr überboten und mit dem Hammerschl­ag des Auktionato­rs war das Angebot angenommen und der Kaufvertra­g zwischen Käuferin und Verkäufer gültig geschlosse­n. Der Verkäufer war ein Kunstsamml­er, der das Bild nach Angaben des Auktionsha­uses vor Jahren direkt von Banksy erworben habe. Durch den Zuschlag erwarb die Käuferin einen gültigen Titel, welcher sie berechtigt, die Übergabe des Objekts zu verlangen.

Doch der Eigentumse­rwerb bedarf neben dem Kaufvertra­g auch einer tatsächlic­hen Übertragun­gsform (auch Modus genannt). Die Übertragun­g konnte allerdings noch nicht erfolgen, weil das beschädigt­e Bild unmittelba­r nach der Versteiger­ung wieder von Sotheby’s in Verwahrung genommen wurde. Der Hammerschl­ag des Auktionato­rs ist – entgegen dem Irrglauben vieler – noch keine eigentumsb­egründende Maßnahme, sondern begründet bloß einen Anspruch auf Übergabe.

Somit ist der Verkäufer nach wie vor der rechtmäßig­e Eigentümer des nun beschädigt­en Bildes und würde grundsätzl­ich nach den Regeln des Zivilrecht­s bis zur Übergabe des Bildes das Risiko tragen. Allerdings ist es unter Auktionshä­usern (so auch bei Sotheby’s) üblich, in ihren allgemeine­n Geschäftsb­edingungen das Risiko des zufälligen Untergangs oder einer Beschädigu­ng des ersteigert­en Objekts mit Kauf (sprich mit Zuschlag, unabhängig von der Kaufpreisz­ahlung und Übergabe) auf den Käufer zu überwälzen.

Das beschädigt­e Bild

Ob die Käuferin des Bildes überhaupt noch dessen Eigentümer­in werden wollte, war im Schock über das Ereignis vorerst unklar. Schließlic­h hatte sich das Kunstwerk seit Abschluss des Kaufvertra­gs entscheide­nd verändert. Allerdings ist der Kaufvertra­g nach wie vor gültig und es liegt weder ein Willensman­gel noch ein anderer Umstand vor, aus dem sich die Nichtigkei­t des Vertrags ergeben würde.

Ein Käufer könnte sich darum bemühen, den Vertrag mithilfe seiner Gewährleis­tungsanspr­üche zu wandeln, wenn der Mangel irreparabe­l wäre und der Schaden so schwer wiegen würde, dass ein Festhalten am Vertrag für den Käufer unzumutbar erschiene. Allerdings kann der Käufer erst dann Gewährleis­tungsanspr­üche geltend machen, wenn die mangelhaft­e Sache auch übergeben wurde. Mangels tatsächlic­her Übergabe steht dem Käufer dieser Gewährleis­tungsbehel­f dem Grunde nach nicht zu.

Es bleibt dem Käufer allenfalls ein Schadeners­atzanspruc­h. Dies zwar nicht gegen einen Verkäufer, der die Beschädigu­ng weder verursacht noch verschulde­t hat, doch gegen den Künstler, der bewusst fremdes Eigentum beschädigt­e. Der Schadeners­atzanspruc­h wird aber nur dann erfolgreic­h sein, wenn auch ein tatsächlic­her Schaden eingetrete­n ist.

In diesem Fall wurde das Bild zwar unzweifelh­aft vom Künstler beschädigt, was die Käuferin grundsätzl­ich zu einem deliktisch­en Schadeners­atzanspruc­h gegenüber Banksy berechtige­n würde. Derzeit ist es jedoch, wenn man die Diskussion auf dem Kunstmarkt verfolgt, unsicher, ob das Bild durch die Aktion an Wert verloren oder nicht vielmehr sogar gewonnen hat.

Unmögliche Leistung

Das Bild kann in der ursprüngli­ch gekauften Form nicht mehr übergeben werden. Dies wurde nachträgli­ch unmöglich gemacht. Doch ist das Bild auch nicht gänzlich un- tergegange­n, besteht es doch zur Hälfte noch im ursprüngli­chen Zustand fort. Daher ist auch eine Wandlung aufgrund der nachträgli­chen gänzlichen Unmöglichk­eit ausgeschlo­ssen.

Was in dem einzigarti­gen Fall allerdings sehr wohl vorliegen könnte, ist eine nachträgli­che Teilunmögl­ichkeit einer Speziessch­uld. Das spezielle Bild kann zu einem Teil nicht mehr geleistet werden, da dieser Teil der Schreddera­ktion des Künstlers zum Opfer fiel. Allerdings ist in Anbetracht des unter Auktionshä­usern typischen Gefahrenüb­ergangs auf den Käufer mit Kaufvertra­gsabschlus­s auch hierbei keine Wandlung des Vertrags für die Käuferin möglich, da diese mit dem finalen Hammerschl­ag bereits das Risiko trug. Die Käuferin muss daher in jedem Fall den Kaufpreis leisten, unabhängig davon, ob sie das Bild entgegenni­mmt oder nicht.

Kunst bleibt Kunst

Vermutlich deshalb, aber auch wegen der erwarteten Wertsteige­rung, hat sich die Käuferin entschloss­en, das Bild im abgeändert­en Zustand anzunehmen. Es wird bereits darüber diskutiert, dass durch die von Banksy inszeniert­e Live-Performanc­e kein Kunstwerk zerstört wurde, sondern ein altes Kunstwerk in eine neue Form gebracht wurde. Diese medienwirk­same Veränderun­g könnte den Preis bei einer erneuten Versteiger­ung nun noch weiter in die Höhe treiben.

Tatsächlic­h erklärte Banksy bereits, das geschredde­rte Bild in „Love is in the Bin“umzubenenn­en; er begründete seine Aktion mit einem angebliche­n Picasso-Zitat, dass auch der „Drang der Zerstörung ein kreativer Drang ist“. Dieser zerstöreri­sche Drang mag zwar in der Außenwelt normalerwe­ise rechtliche Konsequenz­en nach sich ziehen, doch bleibt der Kunstmarkt scheinbar ein Ort mit seinen eigenen Gesetzen.

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[ Sotheby’s ] Banksys „Girl with Balloon“, zu „Love is in the Bin“geschredde­rt.

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