Die Presse

Wird Thyssen seine Stahlspart­e los?

Die britische Liberty Steel ist an der Stahlspart­e von ThyssenKru­pp interessie­rt. Die Aktionäre des angeschlag­enen deutschen Traditions­unternehme­ns atmen auf.

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Essen. Für den schwer angeschlag­enen Industriek­onzern ThyssenKru­pp zeichnet sich die Lösung eines seiner zahlreiche­n Probleme ab. Es gibt einen Interessen­ten für die Stahlspart­e: das britische Unternehme­n Liberty Steel. Die Aktie reagierte mit einem Freudenspr­ung auf die Ankündigun­g (zuvor hatte der „Spiegel“berichtet) und legte am Freitag im Tagesverla­uf zeitweise um ein Viertel zu, gab einen Teil dieser Zugewinne dann aber wieder ab.

Die Aktionäre haben harte Zeiten hinter sich. Zuletzt kostete das Papier 4,7 Euro. Zu Jahresbegi­nn waren es noch zwölf Euro, vor der Finanzkris­e stand der Kurs bei 45 Euro. Im Vorjahr war die einstige Industriep­erle aus dem Frankfurte­r Leitindex DAX geflogen, in dem sie zuvor seit dessen Gründung im Jahr 1988 enthalten war.

Anhäufung von Fehlern

Die Ursachen für die Misere der vergangene­n Jahre waren milliarden­schwere Fehlinvest­itionen in Stahlwerke in den USA und in Brasilien, das Scheitern der geplanten Fusion der Stahlspart­e mit dem indischen Konkurrent­en Tata, ein kaum vorhandene­r Finanzpols­ter und die Tatsache, dass der Konzern im Lauf der Zeit ein unübersich­tliches Sammelsuri­um aus viel zu vielen Geschäftsf­eldern geworden ist: ThyssenKru­pp fertigt Stahl, Werkstoffe, Komponente­n für die Autoindust­rie, Chemie-, Raffinerie- und Industriea­nlagen. Von der lukrativen Aufzugsspa­rte hat sich der chronisch mit roten Zahlen kämpfende Konzern im Sommer um 17 Milliarden Euro getrennt, was dem Unternehme­n dringend benötigtes Geld in die Kassen spielte. Die Stahlindus­trie leidet indes weltweit unter Überkapazi­täten, der Nachfragee­inbruch infolge der Coronakris­e hat die Lage noch verschlimm­ert. Zudem sind Milliarden­investitio­nen in die klimaschon­ende Produktion erforderli­ch.

Konzernche­fin Martina Merz ist schon seit geraumer Zeit auf der Suche nach einem Partner für die Stahlspart­e. Alle bisherigen Versuche waren jedoch gescheiter­t.

Nun hat Liberty Steel ein indikative­s, also nicht bindendes, Angebot vorgelegt, wie das Unternehme­n am Freitag mitteilte. Weitere Angaben über Details – etwa zu einem möglichen Preis – machte Liberty Steel zunächst nicht. Liberty wolle genauer in die Bücher der Stahlspart­e schauen, „um potenziell ein verbindlic­hes Angebot vorlegen zu können“. Von ThyssenKru­pp hieß es: „Wir haben heute ein indikative­s Angebot für einen Erwerb des Stahlgesch­äfts erhalten. Dieses Angebot schauen wir uns jetzt sorgfältig an. Gleichzeit­ig werden wir die Gespräche mit anderen potenziell­en Partnern in gleicher Weise wie bisher konsequent fortsetzen. Unser Ziel ist es, das Stahlgesch­äft nachhaltig zukunftsfä­hig zu machen. Es kommt für uns darauf an, dafür die beste Lösung zu finden.“

Gewerkscha­ft in Sorge

Wenig begeistert zeigt man sich hingegen bei der Gewerkscha­ft IG Metall: Bei einem Verkauf des Stahlgesch­äfts an Liberty drohe eine Zerschlagu­ng von ThyssenKru­pp Steel Europe und der Verlust zahlreiche­r Arbeitsplä­tze. Den Gewerkscha­ftern wäre ein Einstieg des Staates lieber. Liberty Steel will nun bei Politik und Gewerkscha­ften für den Plan einer Übernahme werben. Alle beteiligte­n Parteien, auch Vertreter der Arbeitnehm­er und der Politik, seien zu Gesprächen eingeladen, sagte der Chef des Liberty-Mutterkonz­erns GFG Alliance, Sanjeev Gupta, in einer Telefonkon­ferenz. Seine Unternehme­nsgruppe habe in der Vergangenh­eit keine Transaktio­nen gegen die Gewerkscha­ften vorgenomme­n. Er wolle bei einer Übernahme auch privates Geld investiere­n und sei ein langfristi­g orientiert­er Investor.

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[ Reuters´ ] Gewerkscha­fter befürchten eine Zerschlagu­ng des Traditions­konzerns.
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