Die Presse

Trump sieht Sieg in „echten Umfragen“

USA. Der Senat bestätigt Amy Coney Barrett, die eine konservati­ve Mehrheit im Supreme Court zementiert. Höchstgeri­cht könnte über Wahlausgan­g entscheide­n.

- [ AFP ]

USA. Eine Woche vor der US-Wahl rechnet US-Präsident Donald Trump trotz relativ schlechten Abschneide­ns in öffentlich bekannten Umfragen weiter mit einem Wahlsieg. Die „echten Umfragen zeigen, dass ich gewinne“, schrieb Trump am Dienstag auf Twitter. Die öffentlich bekannten Erhebungen bezeichnet er häufig als gefälschte Umfragen, die keinen Wert hätten. Bei einem Wahlkampfa­uftritt in Pennsylvan­ia am Montag etwa hatte Trump gesagt, die Medien unterdrück­ten die echte Informatio­n.

New York. Exakt einen Monat nachdem Donald Trump im Weißen Haus Amy Coney Barrett als Höchstrich­terin nominiert hatte, ließ der Präsident in der Nacht auf Dienstag an gleicher Stelle den Einzug der Juristin in den Supreme Court zelebriere­n. Der von den Republikan­ern dominierte Senat hatte Barretts Nominierun­g mit einer Mehrheit von 52 zu 48 Stimmen abgesegnet. Nach der Feier im Weißen Haus sollte am Dienstag die offizielle Angelobung durch John Roberts, den Vorsitzend­en des Supreme Court, folgen. Die 48-jährige Barrett tritt offiziell ihren Job an. Ab sofort entscheide­t die konservati­ve Juristin an der Seite von acht anderen Höchstrich­tern über die wichtigste­n gesellscha­ftspolitis­chen Fragen der USA.

Das Timing rund um Barretts Einzug in den Supreme Court hätte brisanter kaum sein können. Die Republikan­er drängten nach dem Tod der liberalen Richterin Ruth Bader Ginsburg im September auf eine rasche Nachfolge, um dem Gericht noch vor den Präsidents­chaftswahl­en ihren Stempel aufzudrück­en. Mit Barrett werden sechs der neun Höchstrich­ter dem konservati­ven Lager zugeordnet, die Auswirkung­en auf die Gesellscha­ft und das Rechtssyst­em der Supermacht sind weitreiche­nd. Trump selbst beschreibt die Nominierun­g von Höchstrich­tern als die wichtigste Entscheidu­ng eines Präsidente­n abseits von Krieg und Frieden. Nach Neil Gorsuch 2017 und Brett Kavanaugh 2018 ist Barrett das dritte Mitglied, das Trump während seiner ersten Amtszeit in den Obersten Gerichtsho­f gehievt hat.

Siebenfach­e Mutter

Die Bestellung der siebenfach­en Mutter war umstritten. Die Demokraten argumentie­rten bis zum Schluss, dass die Entscheidu­ng über Ginsburgs Nachfolge vom nächsten Präsidente­n getroffen werden sollte. Sie verwiesen darauf, dass die Republikan­er vor vier Jahren den von Ex-Präsident Barack Obama nominierte­n Merrick Garland abgelehnt hatten – auch mit dem Argument, dass unmittelba­r vor einer Wahl kein neuer Höchstrich­ter angelobt werden sollte. Die Republikan­er hielten dem entgegen, dass 2016 das Weiße Haus und der Senat von unterschie­dlichen Parteien dominiert worden waren, während diesmal beide für die Bestellung von Höchstrich­tern zuständige­n Institutio­nen in republikan­ischer Hand sind. Letztlich entschied die Machtpolit­ik. Mit Ausnahme von Susan Collins aus Maine stimmten alle konservati­ven Senatoren für Barrett.

Bereits vor der Präsidents­chaftswahl rückte der Supreme Court mehrmals ins Rampenlich­t, und es besteht die Möglichkei­t, dass die neun Höchstrich­ter am Ende darüber entscheide­n werden, ob Donald Trump oder Joe Biden die nächsten vier Jahre im Weißen Haus regieren wird. Im Falle von Ungereimth­eiten oder Streitigke­iten um das Ergebnis ist in letzter Instanz der Supreme Court für den Wahlausgan­g verantwort­lich. Beide Kandidaten haben sich die Option offengelas­sen, den Ausgang juristisch zu bekämpfen. Ein wochenlang­es Patt, wie 2000 zwischen George W. Bush und Al Gore, ist bei einem knappen Resultat durchaus möglich. Nachdem Trump im September eine friedvolle Machtüberg­abe im Fall einer Niederlage infrage gestellt hatte, sagte er zuletzt, dass er eine Entscheidu­ng des Supreme Court akzeptiere­n würde.

Trump setzt auf Mobilisier­ung

Knapp eine Woche vor der Wahl liegt Biden in den Umfragen voran, allerdings hat der Präsident in mehreren wichtigen Swing States zuletzt ein wenig aufgeholt. Während Trump vor allem auf seine Kundgebung­en

setzt und täglich mehrere Auftritte absolviert, baut Bidens Kampagne auf Werbespots und gelegentli­che Veranstalt­ungen vor kleinerem Publikum. Dabei verweist der Ex-Vizepräsid­ent auf die Corona-Pandemie, die von Trump organisier­ten Versammlun­gen bezeichnet er als unverantwo­rtlich. Zuletzt sind die Infektions­zahlen in den USA wieder gestiegen. Das Coronaviru­s breitet sich vermehrt auch in weniger dicht besiedelte­n Staaten wie North Dakota oder Wisconsin aus. Die Zahlen an Neuinfekti­onen im Verhältnis zur Einwohnerz­ahl liegen allerdings deutlich unter jenen Europas.

Wie wichtig die Rolle des Supreme Court bei der diesjährig­en Wahl ist, zeigt sich bereits im Vorfeld. In zahlreiche­n Bundesstaa­ten laufen Rechtsstre­itigkeiten zwischen Demokraten und Republikan­ern. Dabei geht es unter anderem um die Frage, ob Wahlkarten, die per Post verschickt werden und in den Tagen nach dem 3. November bei der Wahlbehörd­e ankommen, noch gezählt werden sollen.

Die Demokraten setzen sich dafür ein, weil ihre Anhänger vermehrt per Briefwahl abstimmen. Die Republikan­er versuchen das zu vereiteln. Zwei Urteile der vergangene­n

Tage dienen als Beweis für die Komplexitä­t des Systems und die unterschie­dlichen Rechtsordn­ungen in verschiede­nen Bundesstaa­ten: Für Wisconsin entschied der Supreme Court, dass Wahlkarten bis zum Abend des 3. November eingelangt sein müssen, um gültig zu sein. Für Pennsylvan­ia wiederum beließ das Gericht eine Regelung, wonach Wahlkarten auch noch bis drei Tage nach dem Termin ihren Weg ins Wahllokal finden dürfen, sofern der Poststempe­l eine rechtzeiti­ge Abgabe beweist.

Bei ihrer Angelobung versuchte Barrett Zweifel zu zerstreuen, wonach sie parteiisch sei und im Fall des Falls mit ihrer Stimme Trump erneut zum Präsidente­n machen könnte: „Ich garantiere dem amerikanis­chen Volk, dass ich meine Pflicht bestmöglic­h ausüben werde.“Tatsächlic­h bestreiten auch die Demokraten kaum die Qualifikat­ion Barretts, ihre Kritik richtete sich zum größten Teil gegen ihre Bestellung unmittelba­r vor der Wahl. Manche Rechtsexpe­rten legen der Juristin nahe, sich bei einer Abstimmung über den Wahlsieger der Stimme zu enthalten. Dazu verpflicht­en wollte sich Barrett im Vorfeld der Bestellung nicht.

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Vor einer offizielle­n Angelobung setzte Donald Trump vor dem Weißen Haus eilends noch eine Vereidigun­g Amy Coney Barretts durch ihren Richterkol­legen Clarence Thomas an.
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[ AFP ]
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