Wie machen das die Deutschen?
Weihnachtsregeln. Österreich orientiert sich bei der Quarantänepflicht an Deutschland. Doch es gibt auch einige Unterschiede.
Berlin. Es gab eine Zeit, da wähnte Markus Söder in Österreich ein Vorbild. Nicht an Berlin, sondern am südlichen Nachbarn orientierte sich die Corona-Politik im Freistaat. Bayerns Ministerpräsident schwärmte vom „Wiener Modell“. Am Donnerstag reiste Söder nach Passau. Die Drei-Flüsse-Stadt an Österreichs Grenze ist ein dunkelrotes Gebiet, also ein Corona-Hotspot. Söder führte die hohen Zahlen dort zuletzt auf die Nähe zu Österreich zurück. Öffentlich kritisierte er im November auch den späten Lockdown in Österreich. Wie im März wandert sein Blick also wieder über die Grenze. Nur dass Österreich nun Warnung und nicht mehr Inspiration ist.
Stattdessen orientiert sich Kanzler Sebastian Kurz (ÖVP) am „deutschen Modell“. Rollentausch sozusagen. Österreichs Nachbar ist bisher vergleichsweise gut durch die Krise gekommen. Deutschland zählte zuletzt 5,1 Coronatote pro 100.000 Einwohner und binnen 14 Tagen. In Österreich sind relativ zur Einwohnerzahl dreimal so viele Menschen an oder mit Covid-19 gestorben (15,8 pro 100.000 Einwohner und 14 Tage).
Und Deutschland kommt ohne harten Lockdown aus. Weder Schulen noch Handel sind flächendeckend geschlossen; Gastronomie und Freizeiteinrichtungen schon. Wie im ersten Lockdown gibt es keine bundesweiten Ausgangs-, sondern vielerorts nur Kontaktbeschränkungen. die nun aber verschärft wurden – maximal fünf Personen aus zwei Haushalten. Denn die deutschen Infektionszahlen sind zwar relativ niedrig, anders als in Österreich sinken sie aber auch nicht spürbar. Über Weihnachten soll trotzdem gelockert werden auf bis zu zehn Erwachsene aus verschiedenen Haushalten am Festtagstisch. Österreich regelt das nun ähnlich.
Die 72-Stunden-Regel
Das „deutsche Modell“schwebt Kanzler Kurz explizit bei der Quarantänepflicht vor, die ab 19. Dezember für Einreisende aus Risikogebieten verhängt werden soll. In Deutschland müssen sie bisher zehn Tage in Quarantäne. Ein negativer Test bei der Einreise hilft nichts. Erst ab Tag fünf kann man sich freitesten lassen. Das „deutsche Modell“also für Österreich? Nicht ganz. Österreichs Quarantäneregel zielt laut Regierung auch auf weihnachtliche Verwandtenbesuche im Ausland, während in Deutschland hier eine Ausnahmeregelung greift. Im föderalen deutschen Verordnungsdschungel haben zwar allenfalls noch Verwaltungsjuristen den Überblick. Prinzipiell reicht beim Besuch von Verwandten ersten Grades oder Lebenspartnern ein negativer Coronatest bei der Einreise, um der Quarantäne zu entgehen.
Dauert der Besuch in Deutschland weniger als 72 Stunden, entfällt auch dieser Test. In vielen Bundesländern, etwa in Bayern und Berlin, gilt diese Quarantänebefreiung ohne Test auch vice versa, also für kurze Verwandtenbesuche im Risikogebiet.
Besuch bei Lebenspartner möglich
Österreich will nach „Presse“-Informationen weniger Ausnahmen gewähren. Einem Entwurf zufolge soll die Quarantänepflicht nur für Besuche bei Personen wie Lebenspartnern entfallen, die schon bisher „zumindest monatlich“getroffen wurden, oder bei einer plötzlichen schweren Krankheit eines Verwandten. Als Risikogebiet will Österreich Regionen mit einer 14-Tage-Inzidenz ab 100 Fällen pro 100.000 Einwohner ausweisen. In Europa unterschreiten nur Island und Irland diesen Wert. Deutschland (302,2) liegt deutlich darüber (Österreich: 749,8).
In der Botschaft in Berlin liefen nach der Quarantäne-Ankündigung die Telefone heiß. In keinem anderen Land wohnen mehr Auslandsösterreicher (rund 250.000). Aber auch Deutsche riefen an. Sie fallen um ihren Weihnachts-Skiurlaub um. Kanzlerin Angela Merkel wollte es so. Im Tandem mit Söder drängte sie auf ein europaweites Ski-Verbot über die Feiertage. Söder drohte andeutungsweise gar mit einer Grenzschließung. Nur kein „zweites Ischgl“, lautet sein Mantra. Der Ski-Streit ist beigelegt. Weil Österreich mit seinen Quarantäneregeln und Hotelschließungen den Skiurlaub für viele Deutsche verunmöglicht. Die „FAZ“wertete das genauso als Nachgeben Österreichs wie die „Bild“. Die Regierung in Wien sei als „Tiger gesprungen und als Bettvorleger gelandet“, kommentierten die ARD-„Tagesthemen“vor Millionenpublikum. Von Söder gab es erstmals wieder freundliche Worte. Der Franke lobt das neue Quarantäne-Regime.