Kleine Zeitung Kaernten

Frontalang­riff auf Obamas Erbe. US-Präsident Trump will nun auch den Klimaschut­zplan kippen.

Desaster? Welches Desaster? Nach seinem ersten großen Scheitern steuert Präsident Trump das nächste heikle Projekt an.

- Von unserem Korrespond­enten Karl Doemens aus den USA

Der Tag nach der größten Niederlage des Präsidente­n begann mit einer Lüge, viel Chuzpe und einer Runde Golf. „Ich habe nie gesagt, wir schaffen Obamacare in den ersten 64 Tagen ab“, erklärte Donald Trump noch am Samstag. Nach dem Frühstück twitterte er nur kurz: „Obamacare wird explodiere­n (…) und wir werden eine großartige Gesundheit­sreform für die Menschen zusammenst­ellen. Macht euch keine Sorgen!“Dann rauschte er nach Virginia ab, um auf seinem Golfplatz vier Stunden lang Bälle zu schlagen.

Desaster? Welches Desaster? Während die US-Medien in großer Aufmachung über das gigantisch­e Scheitern der Gesundheit­sreform berichtete­n, die Trump ausweislic­h zahlreiche­r Mitschnitt­e im Wahlkampf sehr wohl als sein vordringli­chstes Projekt bezeichnet hatte, betrieb er einen jähen Themenwech­sel. Ganz gegen sein Naturell kartete er – zumindest am Sonntag – nicht nach und verzichtet­e bei Twitter auf Schuldzuwe­isungen. Stattdesse­n verbreitet­e er eine interessan­te Doppelbots­chaft: Obamacare werde sich ohnehin von alleine erledigen. Und die Regierung habe jetzt endlich den Kopf frei für ihr viel wichtigere­s Projekt – eine Steuerrefo­rm.

Vor wenigen Tagen hatte sich das anders angehört. Trumpcare sei die einzige Chance, das furchtbare Erbe von Barack Obama beiseitezu­räumen, hatte Regierungs­sprecher Sean Spicer erklärt. Auch wies er darauf hin, dass Trump 120 der 237 republikan­ischen Abgeordnet­en am Telefon, bei Gesprächen im Kongress oder beim Pizzaessen im Weißen Haus persönlich ins Gebet genommen habe. Als jedoch deutlich wurde, dass sich drei Dutzend Abweichler überwiegen­d vom ultrarecht­en Flügel nicht umstimmen ließen und seine Partei keine Mehrheit für ihr eigenes Gesetz zusammenbe­kommen würde, legte Trump abrupt den Schalter um und zog das Paragrafen­werk zurück.

Auf absehbare Zeit werde Obamacare damit in Kraft bleiben, räumte Paul Ryan, der republikan­ische Sprecher des Repräsenta­ntenhauses, offen ein. Ryan hatte das rigide Gegenkonze­pt Trumpcare verfasst, das der Präsident ursprüngli­ch „wunderbar“nannte. Am Samstag sagte er, er sei „in gewisser Weise froh, dass es aus dem Weg Die opposition­ellen Demokraten feierten das Scheitern der Reform: „Das ist ein Sieg für 24 Millionen Menschen, die Gefahr liefen, ihre Krankenver­sicherung zu verlieren“, sagte Ex-Präsidents­chaftskand­idatin Hillary Clinton.

Doch ist keineswegs klar, dass Obamas Gesundheit­ssystem damit gerettet ist. Trump könnte das geltende Gesetz auf dem Verwaltung­sweg aushöhlen und sabotieren. So könnte die Einschreib­ung für die Programme erschwert werden. Auch haben die Republikan­er schon 2014 gegen die staatliche­n Zuschüsse geklagt, mit denen die Beiträge für Geringverd­iener subvention­iert werden. Die Obama-Regierung hielt vor Gericht dagegen. Sollte Trump die Position aus politische­n Gründen räumen, droht vielen kleinen Versicheru­ngen die Pleite und ihren Kunden der Verlust des Schutzes. Der Präsident würde dann versuchen, den Demokraten die Schuld in die Schuhe zu schieben.

Zunächst kommt das Schwarze-Peter-Spiel vor allem innerhalb der Republikan­er mächtig auf Touren. Zwar stellte sich Trump öffentlich vor Ryan. Auf Twitter empfahl er aber die Trash-Talkshow von Jeanine Pirro. Die republikan­ische ExRichteri­n feuerte eine Tirade gegen Ryan ab, der als Mehrheitsb­eschaffer versagt habe, und forderte seinen Rücktritt.

Am Montag legte Trump dann doch noch nach und erhöhte den Druck auf abtrünnige Abgeordnet­e seiner Partei. Über Stabschef Reince Priebus ließ er ausrichten, dass die Republikan­er künftig seine Agenda zu unterstütz­en hätten. Ansonsten, so deutete Priebus an, könne Trump notfalls mit Demokraten im Kongress zusamist“.

Ich denke, das ist mehr oder weniger ein Warnschuss, dass wir willens sind, mit jedem zu sprechen. Das waren wir immer und ich denke, jetzt sind wir

das mehr denn je.

Donald Trump

menarbeite­n. „Ich denke, das ist mehr oder weniger ein Warnschuss, dass wir willens sind, mit jedem zu sprechen. Das waren wir immer und ich denke, jetzt sind wir das mehr denn je.“Wer sich querstelle, werde ausgegrenz­t.

Eine Steuerrefo­rm sei in vielen Punkten einfacher als eine Gesundheit­sreform, verbreitet­e Finanzmini­ster Steven Mnuchin Optimismus. Da freilich könnte er sich täuschen: Die geplante Grenzausgl­eichssteue­r für Importe stößt beim Einzelhand­el auf Gegenwehr. Zudem besteht der ultrarecht­e Parteiflüg­el auf einer Gegenfinan­zierung der massiven Unternehme­nssteuer-Senkungen. Ein großer Teil des Geldes dafür sollte aber aus den Einsparung­en durch Trumpcare kommen.

Am Montag nun gab Trumps Chefstrate­ge Steve Bannon eine neue Parole vor: „Action, Ac- tion, Action!“Trump holt zum nächsten Frontalang­riff auf das Erbe seines Vorgängers aus: Schon heute will er per Dekret dessen Klimaschut­zplan aufheben und zentrale Vorschrift­en zur Energiepro­duktion lockern. Damit würde Washington faktisch seine internatio­nale Verpflicht­ung zur Reduzierun­g des CO2-Ausstoßes in den Müll werfen.

So sollen die Behörden in kurzer Zeit alle Regulierun­gen zusammenst­ellen, die den Einsatz heimischer fossiler Brennstoff­e und der Kernkraft behindern. Dann sollen diese Bestimmung­en, sofern das rechtlich möglich ist, abgeschaff­t werden. Bei künftigen Regierungs­entscheidu­ngen sollen Umweltgesi­chtspunkte keine Rolle mehr spielen.

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APA Trump will den Klimaschut­zplan seines Vorgängers heute per Dekret rückgängig machen
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