Frontalangriff auf Obamas Erbe. US-Präsident Trump will nun auch den Klimaschutzplan kippen.
Desaster? Welches Desaster? Nach seinem ersten großen Scheitern steuert Präsident Trump das nächste heikle Projekt an.
Der Tag nach der größten Niederlage des Präsidenten begann mit einer Lüge, viel Chuzpe und einer Runde Golf. „Ich habe nie gesagt, wir schaffen Obamacare in den ersten 64 Tagen ab“, erklärte Donald Trump noch am Samstag. Nach dem Frühstück twitterte er nur kurz: „Obamacare wird explodieren (…) und wir werden eine großartige Gesundheitsreform für die Menschen zusammenstellen. Macht euch keine Sorgen!“Dann rauschte er nach Virginia ab, um auf seinem Golfplatz vier Stunden lang Bälle zu schlagen.
Desaster? Welches Desaster? Während die US-Medien in großer Aufmachung über das gigantische Scheitern der Gesundheitsreform berichteten, die Trump ausweislich zahlreicher Mitschnitte im Wahlkampf sehr wohl als sein vordringlichstes Projekt bezeichnet hatte, betrieb er einen jähen Themenwechsel. Ganz gegen sein Naturell kartete er – zumindest am Sonntag – nicht nach und verzichtete bei Twitter auf Schuldzuweisungen. Stattdessen verbreitete er eine interessante Doppelbotschaft: Obamacare werde sich ohnehin von alleine erledigen. Und die Regierung habe jetzt endlich den Kopf frei für ihr viel wichtigeres Projekt – eine Steuerreform.
Vor wenigen Tagen hatte sich das anders angehört. Trumpcare sei die einzige Chance, das furchtbare Erbe von Barack Obama beiseitezuräumen, hatte Regierungssprecher Sean Spicer erklärt. Auch wies er darauf hin, dass Trump 120 der 237 republikanischen Abgeordneten am Telefon, bei Gesprächen im Kongress oder beim Pizzaessen im Weißen Haus persönlich ins Gebet genommen habe. Als jedoch deutlich wurde, dass sich drei Dutzend Abweichler überwiegend vom ultrarechten Flügel nicht umstimmen ließen und seine Partei keine Mehrheit für ihr eigenes Gesetz zusammenbekommen würde, legte Trump abrupt den Schalter um und zog das Paragrafenwerk zurück.
Auf absehbare Zeit werde Obamacare damit in Kraft bleiben, räumte Paul Ryan, der republikanische Sprecher des Repräsentantenhauses, offen ein. Ryan hatte das rigide Gegenkonzept Trumpcare verfasst, das der Präsident ursprünglich „wunderbar“nannte. Am Samstag sagte er, er sei „in gewisser Weise froh, dass es aus dem Weg Die oppositionellen Demokraten feierten das Scheitern der Reform: „Das ist ein Sieg für 24 Millionen Menschen, die Gefahr liefen, ihre Krankenversicherung zu verlieren“, sagte Ex-Präsidentschaftskandidatin Hillary Clinton.
Doch ist keineswegs klar, dass Obamas Gesundheitssystem damit gerettet ist. Trump könnte das geltende Gesetz auf dem Verwaltungsweg aushöhlen und sabotieren. So könnte die Einschreibung für die Programme erschwert werden. Auch haben die Republikaner schon 2014 gegen die staatlichen Zuschüsse geklagt, mit denen die Beiträge für Geringverdiener subventioniert werden. Die Obama-Regierung hielt vor Gericht dagegen. Sollte Trump die Position aus politischen Gründen räumen, droht vielen kleinen Versicherungen die Pleite und ihren Kunden der Verlust des Schutzes. Der Präsident würde dann versuchen, den Demokraten die Schuld in die Schuhe zu schieben.
Zunächst kommt das Schwarze-Peter-Spiel vor allem innerhalb der Republikaner mächtig auf Touren. Zwar stellte sich Trump öffentlich vor Ryan. Auf Twitter empfahl er aber die Trash-Talkshow von Jeanine Pirro. Die republikanische ExRichterin feuerte eine Tirade gegen Ryan ab, der als Mehrheitsbeschaffer versagt habe, und forderte seinen Rücktritt.
Am Montag legte Trump dann doch noch nach und erhöhte den Druck auf abtrünnige Abgeordnete seiner Partei. Über Stabschef Reince Priebus ließ er ausrichten, dass die Republikaner künftig seine Agenda zu unterstützen hätten. Ansonsten, so deutete Priebus an, könne Trump notfalls mit Demokraten im Kongress zusamist“.
Ich denke, das ist mehr oder weniger ein Warnschuss, dass wir willens sind, mit jedem zu sprechen. Das waren wir immer und ich denke, jetzt sind wir
das mehr denn je.
Donald Trump
menarbeiten. „Ich denke, das ist mehr oder weniger ein Warnschuss, dass wir willens sind, mit jedem zu sprechen. Das waren wir immer und ich denke, jetzt sind wir das mehr denn je.“Wer sich querstelle, werde ausgegrenzt.
Eine Steuerreform sei in vielen Punkten einfacher als eine Gesundheitsreform, verbreitete Finanzminister Steven Mnuchin Optimismus. Da freilich könnte er sich täuschen: Die geplante Grenzausgleichssteuer für Importe stößt beim Einzelhandel auf Gegenwehr. Zudem besteht der ultrarechte Parteiflügel auf einer Gegenfinanzierung der massiven Unternehmenssteuer-Senkungen. Ein großer Teil des Geldes dafür sollte aber aus den Einsparungen durch Trumpcare kommen.
Am Montag nun gab Trumps Chefstratege Steve Bannon eine neue Parole vor: „Action, Ac- tion, Action!“Trump holt zum nächsten Frontalangriff auf das Erbe seines Vorgängers aus: Schon heute will er per Dekret dessen Klimaschutzplan aufheben und zentrale Vorschriften zur Energieproduktion lockern. Damit würde Washington faktisch seine internationale Verpflichtung zur Reduzierung des CO2-Ausstoßes in den Müll werfen.
So sollen die Behörden in kurzer Zeit alle Regulierungen zusammenstellen, die den Einsatz heimischer fossiler Brennstoffe und der Kernkraft behindern. Dann sollen diese Bestimmungen, sofern das rechtlich möglich ist, abgeschafft werden. Bei künftigen Regierungsentscheidungen sollen Umweltgesichtspunkte keine Rolle mehr spielen.