der soll aufstehen und gehen
Unter dem Eindruck des Skandals um NS-Lieder in einer Burschenschaft will nun FPÖ-Chef Heinz-Christian Strache eine Historikerkommission einsetzen, die die Geschichte des dritten Lagers schonungslos aufarbeiten soll.
Die Wiener Innenstadt glich einer Geisterstadt. Wo sich sonst Touristen durch die engen Gassen drängen, war gestern Abend keine Menschenseele zu sehen. Denn die Innenstadt wurde am Nachmittag zur Sperrzone erklärt.
Jedes Jahr riegelt die Wiener Polizei den ersten Bezirk ab, wenn der umstrittene Akademikerball in der Hofburg gastiert – zu groß ist die Angst vor Ausschreitungen. Denn der seit 2013 von der FPÖ ausgerichtete Burschenschafterball wird seit Jahren von Demonstrationen begleitet. 2014 kam es bereits zu Ausschreitungen, die Angst vor erneuten Unruhen war in diesem Jahr aber besonders groß. Vor dem Hintergrund der FPÖRegierungsbeteiligung und den jüngsten Enthüllungen um rassistische Burschenschafts-Liederbücher verschärfte die Polizei ihre Sicherheitsvorkehrungen. Aus ganz Österreich reisten Beamte zu diesem Einsatz an, insgesamt behielten rund 3000 Polizisten die Demonstranten im Auge. Für Aufregung sorgten im Vorfeld des Protestmarsches zwei Wasserwerfer, die die Polizei am Ring geparkt hatte. Zum Einsatz kamen die beiden Fahrzeuge jedoch nicht.
Denn die Demonstrationen verliefen friedlich. Die Teilnehmer waren gut gelaunt und schlenderten gelassen, aber mit erhobenen Stimmen über den Ring. Unter dem Namen „Omas gegen rechts“marschierten auch ältere Damen mit und sangen gemeinsame Lieder. Zahlreiche Demonstranten brachten auch ihre Kinder mit. Nur einmal kam es zu einem kurzem Schreckmoment und zu verunsicherten Blicken, als vereinzelt Feuerwerkskörper gezündet wurden.
Inhaltlich wurde aber nicht nur der Akademikerball an sich, sondern auch die türkis-blaue Regierung lautstark kritisiert. Die neu geformte Koalition stehe für Sozialbabbau und Ungerechtigkeit, wurde von der Menge immer wieder skandiert. Zahlreiche Demo-Teilnehmer trugen zudem Sticker und Schilder mit einer durchgestrichenen Abbildung von Bundeskanzler Sebastian Kurz (ÖVP) und Vizekanzler Heinz- Christian Strache (FPÖ). Und auch der niederösterreichische FPÖ-Spitzenkandidat Udo Landbauer, der wegen antisemitischer Liederbücher seiner Burschenschaft Germania unter Druck geraten war, wurde mehrfach erwähnt und von der Menge beschimpft und ausgebuht.
Wie vielen Personen dieses Jahr zusammengekommen waren, darüber scheiden sich – wie jedes Jahr – die Geister. Die Organisatoren sprechen von 10.000 Teilnehmern, die Exekutive zählte 8000 Personen. Im Vergleich zum Vorjahr marschierten aber deutlich mehr Menschen mit, 2017 habe es laut Polizeiangaben nur 2800 Personen in die Wiener Innenstadt gezogen.
Während sich die Demonstration um 21 Uhr auflöste, wurde in der Hofburg der Ball eröffnet. Neben Strache und FPÖKlubobmann Johann Gudenus besuchten auch der ehemalige Dritte Nationalratspräsident Martin Graf und die FPÖ-Generalsekretärin Marlene Svazek den umstrittenen Ball.