Wenn Frauen Ernst machen, hört der Spaß nicht auf
Rasant und doppelsinnig: Michael Sturminger inszenierte Oscar Wildes „Bunbury“in der gnadenlos scharfzüngigen Fassung von Literaturnobelpreisträgerin Elfriede Jelinek.
Vor lauter Frust Muffins zu mampfen, ist eigentlich Frauensache. Männer dürfen sich in Ausnahmesituationen dafür einen ordentlichen Schluck genehmigen. Aber wenn alle ein doppeltes Spiel spielen, die Unterschiede zwischen den Geschlechtern verfließen und männliche wie weibliche Zuschreibungen als Pointe spazieren geführt werden, dann steht alles Kopf. Die Aufforderung, sich „umzudrehen“ist sexuell konnotiert, wer dem Partner etwas „abschlagen“will, denkt auch an einen Körperteil und das harmlose „Fahren Sie fort“bekommt einen Deuter, wenn draußen der Wagen wartet.
Für Oscar Wilde waren Konventionen dazu da, unterlaufen zu werden. Seine Überlegungen zum Für und Wider der Ehe, wie Mann und Frau sich in der Öffentlichkeit zu bewegen haben, seine homosexuellen Neigungen und eine Gesellschaft, die den Wert des Menschen an seiner Präsentation misst – alles Themen, über die man auch heute noch trefflich diskutieren kann. Glücklicherweise ohne bittere Konsequenzen: Im Februar 1895 wurde Wildes „Bunbury“uraufgeführt, im April 1895 wanderte der Autor für zwei Jahre ins Gefängnis – verurteilt wegen seiner Männeraffären.
Im Stück dient Jack der erfundene junge Bruder Ernst als Ausrede für Extratouren, ebenso wie Algernon der nicht existierende kränkliche Bunbury. Beide, in sich selbst und ineinander verliebt, verlieben sich in Frauen, die aus überaus schrägen Motiven ausschließlich den Vornamen Ernst lieben. Folglich muss Ernst herhalten, um Gwendolin und Cecily hinzuhalten. Da Jack, wie sich am Ende herausgestellt, eigentlich nach seinem Vater Earnest (= Ernst) genannt wurde, hat er die ganze Zeit ohnehin die Wahr-
heit gesagt. Wenn auch, ohne es zu wissen.
Michael Sturminger hat Oscar Wildes spitzes Gesellschaftsstück mit acht Frauen besetzt und einen rasanten Abend mit munter schnurrenden Dialogen inszeniert. Dem coolen Londoner Stadthaus und dem verhuscht-grünen Garten auf dem Land haben Paul Sturminger und Martin Biedermann (Bühne) optische Spitzfindigkeiten verpasst, die den Spaß an der Balgerei um Ernst noch steigern. In abenteuerlich bunten Kostümen – Renate Martin setzte auf Flower Power –, zum Teil irrwitzigen Schuhwerk und losem Mundwerk raspeln die Schauspielerinnen den doppelsinnigen Sprachwitz von Elfriede Jelinek herunter und kosten jede Anzüglichkeit aus. Katrin Röver und Elzemarieke de Vos gefallen auch als betont breitbeinig sitzende junge Männer. Mit exaktem Timing schießen die Ernst-Anbeterinnen Maresi Riegner (Cecily) und Miriam Fussenegger (Gwendolyn) ihre Wortsalven über die Bühne. Maria Hofstätter hätte gar keinen Bart gebraucht, so geschmeidig hat sie sich die Figur des Pastors Chasuble angeeignet. Michou Friesz ist eine herrlich versnobte Lady Bracknell, Marie-Christine Friedrich die hölzerne Gouvernante Miss Prism, Katharina Schmölzer der pragmatische Butler.
„Wie wird das noch enden, wenn man nicht einmal die Gurken für Bares kriegt?“heißt es am Anfang. Nach gut zweieinhalb Stunden gab es jedenfalls keine Gurke, sondern Sterne (siehe Infobox) und etwas verhaltenen Applaus.