May in der doppelten Mühle
Der Machtkampf um den Brexit ist nicht vorbei. Die Hardliner sinnen auf Rache. Und die EU lehnt den Plan der Premierministerin in wichtigen Teilen ab.
Der „Brexit-Traum“liege „im Sterben“. Mit diesen Worten hat der britische Außenminister Boris Johnson seinen Rücktritt aus Theresa Mays Regierung begründet. Boris spielt nicht mehr mit.
Für Johnson ist May zu weit gegangen, als sie das Kabinett auf einen „weichen“Brexit einschwor. Dagegen will der ChefBrexiteer nun außerhalb des Kabinetts Front machen. Zum einen, weil er kalkuliert, dass er den Kampf um einen harten Brexit im Kabinett verloren hat. Zum anderen aber, weil er glaubt, dass er sich für den Fall eines Regierungssturzes die Rolle des Rebellenführers erhalten muss. Mittlerweile gilt er den Wettbüros schon als Favorit für die May-Nachfolge bei der Tory-Basis. Viele Briten haben aber kaum Respekt für ihn.
May, von den beiden Rücktritten erschüttert, müht sich, ihre Regierung wieder zu stabilisieren. Weitere Abgänge blieben ihr fürs Erste erspart. Für die meisten derer, die „Verrat“ wittern, ist der rechte Zeitpunkt noch nicht gekommen. Aber an der Tory-Basis brodelt es. Der F Aufstand ist nur vertagt. ür viele, die weiter dem Traum radikaler Trennung von „Europa“anhängen, ist Mays Plan, der auf Kompromisse mit der EU zielt, kein „echter Brexit“mehr. Mit dem Abgang zweier Brexit-Schwergewichte nimmt sich das Kabinett zweifellos pragmatischer aus. Selbst der frühere Brexit-Hitzeblitz Michael Gove appelliert an jedermann, „realistisch“zu sein.
Tatsächlich scheiden sich nun die Wege der Realisten und der Träumer beim Brexit. Unter dem Druck wirtschaftlicher Realitäten und angesichts der knappen Frist bis zum Austritt stellen sich May und der Großteil ihrer Minister auf weitere Kompromisse mit Brüssel ein. Im Parlament hat sich schon seit einiger Zeit abgezeichnet, dass ein harter Brexit nicht zu erzwingen ist. Das wissen alle Abgeordneten. Das weiß May.
Mays Plan lässt natürlich viele Fragen offen. Bei der EU wird er in wichtigen Teilen auf Ablehnung stoßen. Aber selbst wenn die EU ihr entgegenkommt, bleiben der Premierministerin nur zwei Alternativen. Entweder sie baut Brexit-Erwartungen im eigenen Land weiter ab. Das mag mehr sein, als ihre Partei verkraften kann. Oder sie riskiert, einen Brexit-Vertrag ins Parlament zu bringen, den die Abgeordneten niederstimmen. Darauf lauern sowohl LabourLeute, die sich davon Neuwahlen versprechen, als auch ihre Brexit-Hardliner, die hoffen, dass dann im Chaos gar kein Deal mit der EU zustande käme. U Mays Lage bleibt prekär. ngewiss ist auch der Ausgang des Brexit-Dramas – bei allem neuen Realismus, der sich in Downing Street abzeichnet. Brexit-Gegner bauen immer mehr darauf, dass es zum Kollaps des Projekts und einem zweiten Referendum kommt. Bezeichnend ist, dass Boris Johnson den „BrexitTraum“durch Mays Manöver sterben sieht. Wenn nicht eintrifft, was er seinen Landsleuten vorträumte, will er wenigstens nicht schuld daran sein.