EU-Corona-Gipfel: Stärkere Kontrollen beim Reisen, Kampf um beschleunigte Zulassung der neuen Impfmittel.
Ein EU-Gipfel im Krisenmodus: Reisen nur noch aus triftigen Gründen, Mutationen bereiten Sorge und die Impfstoffe lassen auf sich warten. Österreich will ein beschleunigtes Zulassungsverfahren.
Der Euphorie nach Beginn der Impfaktionen in allen Ländern ist Ernüchterung gefolgt. Gestern Abend trafen sich die Staats- und Regierungschefs neuerlich per Video zu einem Corona-Sondergipfel – und schon im Vorfeld gingen die Wogen hoch.
Zunächst ließ Österreich aufhorchen. Kanzler Sebastian Kurz schickte, unterstützt von Dänemark, Griechenland und Tschechien einen Brief an Ratspräsident Charles Michel, in dem er dringend eine Beschleunigung des Zulassungsverfahrens für das Produkt von AstraZeneca verlangte. Der Gipfel solle „ein starkes Signal an die Europäische Arzneimittelagentur EMA senden, um sicherzustellen, dass das Zulassungsverfahren so effizient wie möglich ist“. Geplant ist die Freigabe für 29. Jänner, die Dokumente dafür würden aber schon seit dem 12. Jänner bei der Behörde in Amsterdam sein. AstraZeneca war zuletzt in die Schlagzeilen geraten, weil angeblich nicht ausreichend Daten über die Verwendung bei Personen vorliegen, die älter als 65 sind – eine Teilzulassung mit Einschränkungen wäre aber eine Katastrophe für die Impfpläne Österreichs und anderer Länder. In der EU-Kommission zeigte man sich irritiert, die EMA sei eine unabhängige Agentur und das aus gutem Grund, sagte ein hochrangiger Diplomat zur Kleinen Zeitung. Kritik auf den Vorstoß kam unter anderem von den Neos und vom EU-Delegationsleiter der SPÖ, Andreas Schieder: „Ich habe Vertrauen in die Arbeit der EMA, dass der Impfstoff ordentlich geprüft wird. Da sollen Experten nach wissenschaftlichen Vorgaben handeln und nicht auf politische Zurufe reagieren.“Aus dem Umfeld des Kanzlers verweist man jedoch auf Länder, in denen das Mittel längst im Einsatz ist, und betont die Dringlichkeit der ausstehenden Entscheidung. Nach dem Gipfel zeigte sich Kurz zuversichtlich,
das Mittel „spätestens nächste Woche“zugelassen ist.
Zuletzt war ja die Produktion von Biontech/Pfizer unerwartet zurückgefahren worden, der Rückstand bei den Lieferungen soll aber schon mit Februar wieder aufgeholt sein. Inzwischen weiß man, dass pro Phiole sechs statt wie bisher fünf Impfungen möglich sind – doch die Hoffnung der Länder, so die Zahlen zu erhöhen, zerschlug sich in dem Moment, in dem der Hersteller darauf verwies, nach Anzahl der Dosen zu verrechnen; und dementsprechend die Einheiten reduzierte.
Die Mutationen machen allen Ländern großes Kopfzerbrechen, Angela Merkel warnte vor neuen Grenzsperren, sollten die Maßnahmen nicht in benachbarten Ländern gleichermaßen umgesetzt werden. Die Grenzen sollen zwar offen bleiben, der Gipfel kam aber zum Schluss, dass das Reisen noch stärker eingeschränkt werden soll auf „essenzielle“Fahrten. Die EU will auf die Länder einwirken, stärker auf die GenomSequenzierung zu setzen, um die Verbreitung der Mutationen besser einschätzen zu können.
Auf EU-Ebene zurückhaltend reagiert man vorerst auf den aus Griechenland kommenden Vorschlag, einen Impfpass als Erleichterung fürs Reisen zu verwenden. Einigen erscheint der Vorstoß noch zu früh, weil erst ein Bruchteil der Bevölkerung überhaupt die Möglichkeit hat, sich impfen zu lassen. Man will auch bewusst nicht den Eindruck erwecken, durch Priviledass gien einen „Impfzwang durch die Hintertür“zu bewirken. Dazu kommt noch die Ungewissheit, ob Geimpfte die Viren verbreiten können. Ein Impfzertifikat könnte fürs Fliegen oder beim Eintritt ins Kino von Bedeutung sein – was aber umso eher zu einer „Zweiklassengesellschaft“führen würde. Das Zertifikat sollte ein medizinisches Dokument sein (der gelbe WHO-Pass), aber kein Reisepass, so Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen. Damit werde man sich später noch befassen, ergänzte Ratspräsident Charles Michel.
Reisende aus Drittländern sollen jedenfalls einen Test vorweisen müssen. Über das Covax-Programm will man zusätzliche Impfdosen armen Ländern zur Verfügung stellen.