Das Ende der bequemen Politik desDurchwinkens
Berlins Grenzkontrollen und ihre Folgen für Österreich.
Es ist eine dramatische Wende, die Berlin in seiner Flüchtlingspolitik vollzieht. Unter dem Eindruck des nicht abreißenden Menschenstroms macht die deutsche Bundesregierung die Grenzen zu Österreich dicht.
Der Schritt musste früher oder später erfolgen. Auch wenn der großherzige Umgang mit den Schutzsuchenden aus den Kriegsgebieten des Nahen Ostens Deutschland in der Welt viel Achtung eingetragen hat, war absehbar, dass Berlin seine generöse Einreisepraxis nicht würde aufrechterhalten können. Zu gewaltig war die Sogwirkung, die die Zusage von Kanzlerin Angela Merkel, jeden Flüchtling aufzunehmen, entfaltete. Humanitär eine beispiellose Geste, war dieses Versprechen politisch ein folgenschweres Signal. Dadurch ermutigt, machten sich nicht nur Zehntausende Kriegsflüchtlinge aus Syrien auf den Weg, sondern auch viele andere, die sich ein besseres Leben erhoffen. Dieser Wunsch ist verständlich und niemand sollte den Stab über Menschen brechen, die von Armut getrieben anderswo ihr Glück versuchen. Ebenso legitim ist es aber, dass ein Staat genau prüft, wer wirklich schutzbedürftig ist und wer nicht. Und selbst wenn alle Voraussetzungen für Asyl gegeben sind: Heißt das, dass jemand Anspruch auf Aufnahme in einem bestimmten Land hat?
Von den vielen Fragen, die die Flüchtlingskrise aufwirft, ist das die dringlichste. Die Europäer haben eine ernsthafte Auseinandersetzung damit bis jetzt gescheut, auch weil die Deutschen es ihnen mit ihrer Politik der offenen Grenzen leicht gemacht haben. Damit ist es vorbei. Mit der Entsendung Tausender Polizisten an die Grenze signalisiert Berlin, dass es bei aller Bereitschaft zu hel- fen auch eigene nationale Bedürfnisse hat. Und dass es die übrigen EU-Staaten hier nicht aus der Pflicht entlassen will. as ist gut und richtig so. Für Österreich hat das jedoch gravierende Folgen. Das Land war bisher in der komfortablen Lage, die Flüchtlinge nur durchwinken zu müssen. Ab sofort ist es selbst für sie zuständig. Viel hängt nun davon ab, wie kooperationswillig Ungarn ist. Kanzler Werner Faymann dürfte es bereits bitter bereuen, Budapest mit dem abwegigen Nazi-Vergleich vor den Kopf gestoßen zu haben. Will er verhindern, dass alle Flüchtlinge in Österreich stranden, könnte er bald in die Situation gelangen, das tun zu müssen, wofür er eben noch Viktor Orbán mit dem Gestus des moralisch Überlegenen geprügelt hat, nämlich die Grenzen dichtzumachen. Schon am Dienstag dürfte es dazu kommen. Selten kam politischer Hochmut so rasch zu Fall.
DSie erreichen den Autor unter