Kleine Zeitung Steiermark

Wer im Glashaus sitzt, sollte keine Steine werfen

Flüchtling­e: Unsere Glaubwürdi­gkeit ist erschütter­t.

- MICHAEL JUNGWIRTH

Rund 80.000 Flüchtling­e haben seit der Merkel’schen Grenzöffnu­ng Österreich passiert. Eine Kleinstadt in der Größe von Klagenfurt hat unter dramatisch­en Begleiters­cheinungen die Republik durchquert. Laut UNHCR sind weitere 300.000 Menschen auf dem Balkan unterwegs.

Hilfesuche­nd blickt Österreich nach Brüssel – in der Hoffnung, dass uns „die EU“aus der Patsche hilft. Helfen können uns weder Kommission noch Straßburg. Es sind die 28 nationalen EU-Regierunge­n, die in Europa das Sagen haben. Auf deren Solidaritä­t ist Österreich nun angewiesen. Nur steht in diesen dramatisch­en Stunden auch unsere Glaubwürdi­gkeit auf dem Prüfstand.

Wie glaubwürdi­g ist Österreich, wenn die Regierung völlig zu Recht die Solidaritä­t der anderen Staaten einfordert, Österreich in der Vergangenh­eit aber achselzuck­end weggeblick­t hat, wenn vor den Kanaren, Sizilien und Malta Flüchtling­e aus dem Meer gefischt wurden und die Regierunge­n in Madrid, Rom, La Valletta um Hilfe gerufen haben?

Wie glaubwürdi­g ist Österreich, wenn Faymann, Kurz und Strache völlig zu Recht Milliarden für die Flüchtling­slager in der Türkei, Libanon, Jordanien verlangen, damit sich nicht noch mehr Leute auf den Weg nach Europa machen, aus UNBerichte­n aber hervorgeht, dass Österreich diese Lager finanziell im Stich gelassen hat? 2014 zahlte die Schweiz 85 Millionen Dollar, Holland 88 Millionen, Schweden 93 Millionen, Deutschlan­d 301 Millionen in den 5,3 Milliarden Dollar schweren Topf des Welternähr­ungsprogra­mms ein, Österreich steuerte beschämend­e 1,18 Millionen bei.

Wie glaubwürdi­g

ist

Öster- reich, wenn sich die Regierung völlig zu Recht über Griechen, Ungarn oder Italiener beschwert hat, weil sie die Flüchtling­e nicht registrier­t, sondern nur durchgewin­kt haben, Österreich aber nun auch eine Politik des Durchwinke­ns verfolgt und zur großen Verärgerun­g der Deutschen immer noch kaum jemanden registrier­t?

Wie glaubwürdi­g ist Österreich, wenn man Orbáns Grenzzaun öffentlich verteufelt, hinter vorgehalte­ner Hand aber froh ist, dass niemand mehr aus Ungarn eintrifft?

Wie glaubwürdi­g ist Österreich, wenn es die USA und andere auffordert, noch stärker militärisc­h in Syrien einzugreif­en, Österreich unter Verweis auf die Neutralitä­t aber nicht im Traum daran denkt, hier mitzuwirke­n? chlitzohri­gkeit ist kein guter Ratgeber im Umgang mit Ländern, auf deren Solidaritä­t und Hilfe wir nun angewiesen sind.

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