Erdog˘ans Machtausbau nimmt nächste Hürde
Trotz Faustkämpfen im Parlament billigen Abgeordnete weitere Artikel der umstrittenen Verfassungsreform.
TÜRKEI
Das türkische Parlament in Ankara gleicht in diesen Tagen einem Boxring. Die Bilanz der Faustkämpfe am Donnerstag verzeichnete eine gebrochene Nase, einen blutigen Wadenbiss, zahlreiche Prellungen und ein geklautes 15.000-Euromikrofon. Tags zuvor waren sich Abgeordnete der Regierungspartei und der Opposition buchstäblich an die Kehle gegangen.
Auf der Tagesordnung steht nichts Geringeres als die Selbstentmachtung des Parlaments zugunsten der auf Staatspräsident Recep Tayyip Erdog˘an zugeschnittenen Exekutivpräsidentschaft. Seit Dienstag streiten die 550 Abgeordneten um 18 Artikel der Verfassung, die nach dem Willen der islamisch-konservativen Akp-regierung geändert werden sollen, um aus der parlamentarischen eine präsidiale Republik zu machen. Pro Tag werden zwei bis drei Artikel erstmals abgestimmt, übernächste Woche folgen die entscheidenden zweiten Abstimmungen. Die angestrebte Verfassungsänderung macht den Präsidenten zum Leiter der Exekutive und schafft das Amt des Ministerpräsidenten ab. Zwar beziehen sich Erdog˘an und seine Anhänger stets auf die Vorbilder der USA und Frankreichs, jedoch ohne deren demokratische Kontrollen vorzusehen.
Frank Nordhausen, Istanbul