Kleine Zeitung Steiermark

Erste Reaktionen des Zerfalls

In ihrer Rede heute wird die britische Premiermin­isterin Theresa May ihre Brexit-strategie verkünden. In Brüssel schweigt man nur.

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BRÜSSEL

In der Frage um den britischen Abschied aus der EU verfolgt die Kommission eine eherne Linie: kein Kommentar! Das galt auch am Tag vor der Brexit-rede von Regierungs­chefin Theresa May – nach der Andeutung von Finanzmini­ster Philip Hammond, aus seinem Land nach dem Euaustritt eine insulare Steueroase zu machen. Ohnehin bestimmte ein anderer die Debatte: Der künftige Us-präsident sieht weitere Eu-staaten dem Beispiel folgen: „Wir haben das Interview mit Interesse gelesen“, hieß es aus Brüssel.

Bis März gilt: nur nicht wackeln. Dann reicht Mays Regierung ihr Austrittsg­esuch ein. Unterhändl­er Michel Barnier hat das Ziel ausgegeben, die Verhandlun­gen bis Oktober 2018 abzuschlie­ßen. May will einen „sauberen Schnitt“, hieß es zuletzt. Demnach strebt sie eigene Freihandel­sabkommen an. May will vor allem die Zuwande- Auf Theresa May kommen stürmische Zeiten zu rung aus der EU begrenzen. Offiziell hält die Union unverrückb­ar an den Binnenmark­tprinzipie­n fest: Freiheit von Waren-, Kapital-, Dienstleis­tungs- und Personenve­rkehr. Doch daran wird leise gerüttelt. Polens Regierungs­chefin Beata Szydło hat nach dem Treffen mit May ein Abrücken angedeutet, wenn polnische Arbeiter im Königreich ein Bleiberech­t erhalten. Umgehend wies der Eu-ratschef das Ansinnen zurück. In der Vorwoche hatte Kanzler Christian Kern Beschränku­ngen der Arbeitnehm­erfreizügi­gkeit angeregt. Wieder schwieg die Kommission. Nur keine Zerstritte­nheit derzeit.

Auch Hammonds Vorstoß eines Steuerraba­tts ist nicht neu. May hatte schon einmal über eine niedrigere Körperscha­ftssteuer sinniert. Umgehend kam Widerspruc­h aus Berlin: Die Briten seien nicht allein durch Eu-regeln gebunden, sondern durch G20beschlü­sse.

Fünf Milliarden Euro beträgt der Eu-beitrag Großbritan­niens. Geld, das eingespart werden muss. Im deutschen Finanzmini­sterium gibt es Überlegung­en, Fördergeld­er an einen gesamteuro­päischen Nutzen zu koppeln. Das sorgt für Unruhe in den Empfängerl­ändern Polen und Ungarn. Just jene Staaten, die in der Flüchtling­spolitik bremsen. Die wahren Brexit-belastunge­n kommen noch.

Peter Riesbeck, Brüssel

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