Wirklichkeit, welche Wirklichkeit?
GBenau 40 Jahre ist es her, da erschien Paul Watzlawicks Versuch einer Realitätsbeschreibung, die zu einem Klassiker populärwissenschaftlicher Literatur werden sollte: „Wie wirklich ist die Wirklichkeit?“In dem Bestseller konstatiert er etwas damals Unerhörtes: Wirklichkeit ist das Ergebnis von Kommunikation. In der aktuellen Diskussion um Falschnachrichten („Fake News“), Desinformationen und konstruierte Ereignisse lohnt es sich, nicht nur die Essenz Watzlawicks (belegter) Thesen in Erinnerung zu rufen, sondern auch einen Blick auf den Untertitel seines ewiggültigen Buches zu werfen: „Wahn, Täuschung, Verstehen“.
Dass unsere Gesellschaft konsequent unterspült wird von Gerüchten, Spekulationen und verzerrten oder gar gefälschten Nachrichten, ist mittlerweile keine aufregende Erkenntnis mehr. Neu hingegen ist, in welcher Intensität, Quantität und Geschwindigkeit dies geschieht. Ob das Risiko in die Welt gesetzter Unsinnigkeiten derart hoch ist, dass in Deutschland sogar an die Installierung eines eigenen „Abwehrzentrums von Desinformation“gedacht wird, sei dahingestellt. Tatsache aber ist, dass gefälschte News, Lügen und Unwahrheiten nicht eben zur gesellschaftlichen Stabilität öffentlicher Kommunikation beitragen. Aber hat es, um die derzeit inflationär gebrauchte Beschreibung des „postfaktischen Zeitalters“ins Treffen zu führen, jemals eine „faktische Ära“gegeben? Wohl nicht. emühungen und Ambitionen, die Zentrifugalkräfte dieser informationellen Dreckschleudern einzudämmen, sind ebenso wichtig wie naiv. Wer einer tausendköpfigen, Gerüchte speienden Hydra ein Glied abschlägt, erzeugt in genau diesem Moment einen Ausbruch weiterer Unterstellungen, Angriffe und Attacken. Dennoch ist es unabdingbar, Absurditäten zeitgenössischer Kommunikation lautstark zu benennen. Die Wirkung faktischen, fundierten Argumentierens bleibt freilich abzuwarten. Kann ja sein, dass viele nicht da sind. Nicht zuhören und zuschauen, weil sie gerade damit beschäftigt sind, ihre eigene Realität zu googeln … Heinz M. Fischer ist Leiter des Instituts für Journalismus an der FH JOANNEUM, das heute mit einem Festakt sein 15-jähriges Bestehen feiert
„Bemühungen, die informationellen Dreckschleudern einzudämmen, sind ebenso wichtig wie naiv.“