„Bei Olympia geht es nicht um Sport“
Felix Gottwald, Österreichs erfolgreichster Olympionike, beobachtet die Entwicklung der Spiele mit Sorge. Er vermisst Antworten auf aktuelle Fragen und ortet Reformbedarf – auch im ÖSV.
In fünf Tagen beginnen in Pyeongchang die Olympischen Winterspiele. Im Vorfeld gibt es teils heftige Kritik – auch von Sportlern – am Vergabemodus und vor allem an der exzessiven Kommerzialisierung und der Gigantomanie. Wie beurteilen Sie diese Entwicklung?
FELIX GOTTWALD: Sie ist für alle Beteiligten besorgniserregend. Der Mythos Olympia wird scheibchenweise demontiert. Alle, die die Spiele in Lillehammer miterlebt haben, sagen heute: Solche Spiele brauchen wir wieder. Dort war alles beeindruckend – im positiven Sinn. Mittlerweile ist alles beeindruckend – im negativen Sinn. Eine echte, authentische Zukunft der olympischen Idee kann es aber nur geben, wenn man das Modell gesundschrumpft – so wie man es bei den Olympischen Jugendspielen schon erkannt hat und versucht, die junge Generation sinnstiftend zu inspirieren.
Gesundschrumpfen – das wäre eines der Hauptargumente, mit denen sich Graz-schladming für 2026 bewerben will?
Etwas Besseres kann nicht passieren. Damit würde man sich nicht einreihen in eine Kette von Orten, wo einer skurriler als der andere ist: Sotschi, Pyeongchang.
Oder Peking 2022.
Da hat sich das IOC (Internationale Olympische Komitee) mit seiner Utopie selbst übertroffen.
Aber an anderen Orten scheitern Olympia-ideen immer öfter an negativen Bürgerentscheiden. Ich habe die Ablehnung in Tirol nicht ganz verstanden. Man kann der Politik in solchen Fragen schon eine Verantwortung zumuten. Das Argument, dass man das Geld, das für Olympia ausgegeben wird, anders einsetzen könnte, stimmt ja nicht: Das Geld bekommt man ohne Olympia gar nicht. Außerdem spielen die Winterspiele im IOC eigentlich ohnehin eine untergeordnete Rolle. Es geht um die kommerziell viel lukrativeren Sommerspiele – je nachdem, wohin die vergeben werden, wird dann über die Winterspiele entschieden.
Was müsste sich in diesem System generell ändern?
Die Frage ist, wie weit man den Ballon noch aufblasen kann und ab wann er überstrapaziert ist – und platzt. Oder wie man es schafft, ihn wieder kleiner zu bekommen. Es bräuchte nämlich einen Fokus auf die Wurzeln. Eine Verjüngung im IOC wird da nicht reichen. Es braucht einen echten Neustart und ein klares Commitment des IOC für einen neuen Weg. Ich war bei fünf Winterspielen als Athlet dabei und einmal – für Salzburg – in einer Bewerbungskampagne engagiert. Da habe ich Einblicke bekommen in Sachen, die man als Sportler gar nicht wissen will.
Welche Einblicke waren das? Damals hat Sotschi den Zuschlag bekommen. Schon als Wladimir Putin mit einer riesigen Transportmaschine im Schlepptau landete und sich mit Ioc-mitgliedern extra traf, war klar, dass er nicht gekommen ist, um zweiter Sieger bei der Bewerbung zu werden. Es geht bei den Olympischen Spielen eben nicht um Sport. Es hat mich größte Disziplin gekostet, das danach als Aktiver bei den Spielen in Vancouver auszublenden. Als Athlet ist Olympia ja das größtmögliche Ziel – zunächst das Dabeisein, dann will man aufs Podest und schließlich eine Goldmedaille gewinnen. Deshalb muss man immer das Beste aus den Bedingungen machen. Sotschi selbst war dann eh nett. Nur spürt man die Nachwirkungen bis heute.
Sie meinen den Dopingskandal und den Ausschluss des russischen Teams, nachdem jetzt nur einzelne, nachweisbar „saubere“Athleten und das nur unter neutraler Flagge antreten dürfen.
Ja, wobei das IOC noch immer keine wirklichen Antworten auf diese und andere zentrale Fragen gefunden hat. Man ist viel zu sehr auf den eigenen Bauchnabel fokussiert. Das ist nicht mehr zeitgemäß. Es ist auch nicht mehr zeitgemäß, so zu tun, als wären da keine Profis am Start. Man müsste sich beispielsweise fragen, ob der Sport