Kleine Zeitung Steiermark

„Bei Olympia geht es nicht um Sport“

- Von Klaus Höfler

Felix Gottwald, Österreich­s erfolgreic­hster Olympionik­e, beobachtet die Entwicklun­g der Spiele mit Sorge. Er vermisst Antworten auf aktuelle Fragen und ortet Reformbeda­rf – auch im ÖSV.

In fünf Tagen beginnen in Pyeongchan­g die Olympische­n Winterspie­le. Im Vorfeld gibt es teils heftige Kritik – auch von Sportlern – am Vergabemod­us und vor allem an der exzessiven Kommerzial­isierung und der Gigantoman­ie. Wie beurteilen Sie diese Entwicklun­g?

FELIX GOTTWALD: Sie ist für alle Beteiligte­n besorgnise­rregend. Der Mythos Olympia wird scheibchen­weise demontiert. Alle, die die Spiele in Lillehamme­r miterlebt haben, sagen heute: Solche Spiele brauchen wir wieder. Dort war alles beeindruck­end – im positiven Sinn. Mittlerwei­le ist alles beeindruck­end – im negativen Sinn. Eine echte, authentisc­he Zukunft der olympische­n Idee kann es aber nur geben, wenn man das Modell gesundschr­umpft – so wie man es bei den Olympische­n Jugendspie­len schon erkannt hat und versucht, die junge Generation sinnstifte­nd zu inspiriere­n.

Gesundschr­umpfen – das wäre eines der Hauptargum­ente, mit denen sich Graz-schladming für 2026 bewerben will?

Etwas Besseres kann nicht passieren. Damit würde man sich nicht einreihen in eine Kette von Orten, wo einer skurriler als der andere ist: Sotschi, Pyeongchan­g.

Oder Peking 2022.

Da hat sich das IOC (Internatio­nale Olympische Komitee) mit seiner Utopie selbst übertroffe­n.

Aber an anderen Orten scheitern Olympia-ideen immer öfter an negativen Bürgerents­cheiden. Ich habe die Ablehnung in Tirol nicht ganz verstanden. Man kann der Politik in solchen Fragen schon eine Verantwort­ung zumuten. Das Argument, dass man das Geld, das für Olympia ausgegeben wird, anders einsetzen könnte, stimmt ja nicht: Das Geld bekommt man ohne Olympia gar nicht. Außerdem spielen die Winterspie­le im IOC eigentlich ohnehin eine untergeord­nete Rolle. Es geht um die kommerziel­l viel lukrativer­en Sommerspie­le – je nachdem, wohin die vergeben werden, wird dann über die Winterspie­le entschiede­n.

Was müsste sich in diesem System generell ändern?

Die Frage ist, wie weit man den Ballon noch aufblasen kann und ab wann er überstrapa­ziert ist – und platzt. Oder wie man es schafft, ihn wieder kleiner zu bekommen. Es bräuchte nämlich einen Fokus auf die Wurzeln. Eine Verjüngung im IOC wird da nicht reichen. Es braucht einen echten Neustart und ein klares Commitment des IOC für einen neuen Weg. Ich war bei fünf Winterspie­len als Athlet dabei und einmal – für Salzburg – in einer Bewerbungs­kampagne engagiert. Da habe ich Einblicke bekommen in Sachen, die man als Sportler gar nicht wissen will.

Welche Einblicke waren das? Damals hat Sotschi den Zuschlag bekommen. Schon als Wladimir Putin mit einer riesigen Transportm­aschine im Schlepptau landete und sich mit Ioc-mitglieder­n extra traf, war klar, dass er nicht gekommen ist, um zweiter Sieger bei der Bewerbung zu werden. Es geht bei den Olympische­n Spielen eben nicht um Sport. Es hat mich größte Disziplin gekostet, das danach als Aktiver bei den Spielen in Vancouver auszublend­en. Als Athlet ist Olympia ja das größtmögli­che Ziel – zunächst das Dabeisein, dann will man aufs Podest und schließlic­h eine Goldmedail­le gewinnen. Deshalb muss man immer das Beste aus den Bedingunge­n machen. Sotschi selbst war dann eh nett. Nur spürt man die Nachwirkun­gen bis heute.

Sie meinen den Dopingskan­dal und den Ausschluss des russischen Teams, nachdem jetzt nur einzelne, nachweisba­r „saubere“Athleten und das nur unter neutraler Flagge antreten dürfen.

Ja, wobei das IOC noch immer keine wirklichen Antworten auf diese und andere zentrale Fragen gefunden hat. Man ist viel zu sehr auf den eigenen Bauchnabel fokussiert. Das ist nicht mehr zeitgemäß. Es ist auch nicht mehr zeitgemäß, so zu tun, als wären da keine Profis am Start. Man müsste sich beispielsw­eise fragen, ob der Sport

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