Kleine Zeitung Steiermark

SONNTAG, 3 UHR | LIVE ORF EINS Zwischen Wiederholu­ng und später Premiere

- Von Michael Schuen aus Pyeongchan­g

Matthias Mayer fährt in der Nacht um eine historisch­e Wiederholu­ng – und Hannes Reichelt feiert mit 37 eine olympische Abfahrtspr­emiere.

er Cheftraine­r blickte nach rechts, sah „sein“Team an. Und dann sagte Andreas Puelacher im Brustton der Überzeugun­g: „Alle vier sind in sehr, sehr guter Form. Und alle vier haben Medaillenc­hancen.“Das Quartett, das er ansprach, lauschte ungerührt. Und doch wissen wohl auch Matthias Mayer, Hannes Reichelt, Max Franz und Vincent Kriechmayr, dass sie allesamt das Vermögen haben, die Vorschussl­orbeeren des Chefs in die Tat umzusetzen. Das Vermögen ist dabei weniger das Problem, es geht um das Erarbeiten der Linie, um das Tüfteln an der Strecke.

Denn, wie es Hannes Reichelt ausdrückt: „Klar wäre es mir lieber, es wäre eine Abfahrt wie Garmisch oder Kitzbühel, wo ich instinktiv weiß, wie man die schweren Kurven fahren muss. Wo ich aber auch weiß, dass es kein Problem ist, wenn man die Ideallinie einmal um zwei Meter verpasst. Weil du kannst das wieder aufholen!“Auf der Strecke in Jeongseon geht das nicht: „Hier“, sagt Hannes Reichelt, „musst du eher funktionie­ren wie ein Schweizer Uhrwerk!“Reichelt könnte mit seinen 37 Jahren zum ältesten Olympiasek­unde Medailleng­ewinner im Skisport werden. Und doch ist die Olympia-abfahrt eine Premiere, hat er denn diese noch nie bestritten. 2010 war er nur im Super-g dabei, 2014 erholte er sich nach dem Kitzbühel-sieg gerade von einer Bandscheib­en-op. „Aber nervös“, sagt Reichelt, „bin ich nicht. Noch nicht. Da tut es gut, dass wir nicht Teil des olympische­n Trubels sind, sondern fast wie im Weltcup unter uns.“

Olympiasie­ger Matthias Mayer trauert da schon mehr dem olympische­n Flair nach. „Es tut ganz gut, einmal herauszuko­mmen und zu sehen, was im Herzen der Spiele abgeht.“Obwohl: Es hat auch Vorteile, unter sich zu sein. „In Jeongseon gibt es nur Skifahrer. Und die wissen alle, dass ich Olympiasie­ger bin, insofern werde ich nicht öfter darauf angesproch­en“, sagt er mit seinem Dauerläche­ln. Mayer hat, das merkt man, einen Plan, den er durchzieht, ganz wie vor vier Jahren. Er könnte auch zum ersten Abfahrer werden, der zwei Mal Olympiagol­d holt. Er achtet darauf, sich die Strecke passagenwe­ise zu erarbeiten, um am Renntag dann das Puzzle zusammenzu­setzen. Und er weiß: „Es wird eine enge Entscheidu­ng werden, es ist für mich kaum vorstellba­r, dass einer eine halbe voraus ist. Und klar ist auch: Es wird ein Kampf vom ersten bis zum letzten Tor, man darf nie aufmachen, nicht aus der Hocke gehen. Sondern es heißt, von oben bis unten engagiert zu fahren.“Und riskieren – wobei das auf einer Strecke, die alle als so leicht ansehen, schwierig erscheint. Mayer: „Das Risiko liegt darin, die Kurve nicht zu weit zu fahren, weil dann kann alles passieren. Aber auch nicht zu eng zu werden, weil man dann am Kurvenausg­ang zu weit wird. Aber dass es nicht eine Frage der Überwindun­g wie in Sotschi ist, das ist auch klar.“Und Mayer macht sich auch keine Illusion darüber, dass die Olympia-abfahrt eben nicht ein Rennen wie jedes andere ist. „Hätte ich vor vier Jahren ein Weltcupren­nen gewonnen, würde ich heute nicht so oft angesproch­en werden ...“

Klar ist aber auch, dass die Österreich­er nicht die ersten Favoriten sind. Diese Rolle obliegt den Norwegern Aksel Lund Svindal und Kjetil Jansrud und dem Schweizer Beat Feuz. Aber dann kommen schon die Österreich­er, zusammen mit Italienern, Kanadiern oder dem überrasche­nd starken Us-amerikaner Bryce Bennett. Das Porträt des Tages finden Sie auf Seite 3

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