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eine Chance, andererseits auch eine Verantwortung. Dazu gibt es auch eine schöne Parabel.
In etwa so: Ein Großvater sagt zu seinem Enkelkind: „In jedem Menschen leben zwei Wölfe. Einer ist sozial, vernünftig und lösungsorientiert und wird sich einbringen. Der andere ist machtgierig, xenophob, selbstsüchtig.“Das Enkelkind fragt: „Opa, wer wird gewinnen?“Seine Antwort: „Der, den du fütterst.“Wir haben mehr in der Hand, als wir glauben. Die dritte Gruppe, die sich lösungsbegabt einbringt, sagt: „Leicht ist es nicht, aber leicht war es noch nie.“Wenn man betrachtet, was wir in den letzten Jahrhunderten schon alles zustande gebracht haben! Noch nie waren Gesundheit, Bildung oder Gerechtigkeit so gut wie heute.
Wenngleich noch extrem viel Luft nach oben ist. Immer noch hungern Hunderte Millionen Menschen, gibt es Kriege oder zum Beispiel Rassismus.
In dieser Pandemie setzt die ganze Welt auf die Wissenschaft und hofft auf eine Impfung. Sind diese Erwartungen denn aus Ihrer Sicht gerechtfertigt?
Einerseits ist die Wissenschaft der beste Begleiter, wenn es um Zukunftsfragen geht. Aber sie funktioniert nicht auf Knopfdruck und muss immer von der gerade Gestalt annehmenden Zukunft lernen. Die Menschen sehen aktuell vermehrt, wie Wissenschaft funktioniert.
Auf der anderen Seite misstrauen immer mehr Menschen den Zahlen und Theorien und wenden sich „alternativen Fakten“zu.
Wir müssen die Ängste und
Sorgen der Menschen ernst nehmen und uns vernunftbegabt die Arbeit antun, Fakten zu erklären. Angst ist, evolutionsbiologisch betrachtet, ein enorm wichtiges Instrument. Ohne Angst wäre der Schritt zu Tollkühnheit oder Dummheit oft zu klein. Ein wenig Angst hält Abwägungsprozesse in Gang. Aber zu viel Angst lähmt und ist kein guter Begleiter, wenn es um Lösungsbegabung geht.
Einer Ihrer Leitsätze lautet: „Die Gene sind wie Bleistift und Papier, aber die Geschichte schreibt jeder selbst.“Welche Geschichte schreibt Corona mit uns?
Ich bin noch nicht wirklich so weit, etwas Gutes aus dieser Krise ziehen zu wollen. Aber die Tante Jolesch von Friedrich Torberg hat gesagt: „Gott soll einen hüten vor allem, was noch
Ich gebe Ihnen mit allem Recht, außer mit dem Wort „Spielereien“. Gerade in Zeiten wie diesen ist die Förderung und der Einsatz der Lösungsbegabung das Existenziellste.
Am Ende Ihres Buches zitieren Sie Nestroy mit „Warum soll die Gegenwart dem ihre Blicke schenken, der immer mit der Zukunft kokettiert?“Ist Lösungsbegabung ein Thema, das die Gegenwart betrifft?
Mein Buch macht sich über die Zukunft Gedanken, aber man braucht dafür die Kompetenz, die Gegenwart zu nutzen. Man muss sagen: „Heute, hier und jetzt bringe ich mich ein.“Wir müssen jetzt über die Klimakrise, Populismus, Terrorismus oder Migrationsthemen reden. Und wir dürfen nicht vergessen: Der Mensch hat durch seine Lösungsbegabung eine Riesenchance. Er hat selbst viel in der Hand und jede und jeder kann zu einer Veränderung beitragen.
Vermessung einer entzweiten Nation.