Längliche Therapie
Akademie: Simon Stones Strindberg
Von August Strindberg blieb der voyeuristische Blick in die Höllen neurotischer Beziehungen. Ansonsten hat es kein einziges Wort des Namensgebers in das Projekt „ Hotel Strindberg“geschafft. Ein nicht uninteressanter Abend im Akademietheater, der allerdings an der Wagner- Länge von fünf Stunden und am schauspielerischen Gefälle laboriert.
Dass er mit klassischer Literatur, auch mit klassischer Moderne, partiturgenau umgehen kann: Das hat der Australier Simon Stone mit Reimanns Shakespeare- Oper „ Lear„ in Salzburg bewiesen. Der 33- jährige pflegt aber noch ein anderes Verfahren: Er überschreibt klassische Literatur, ohne sich am Text zu vergreifen ( gewiss ein Verdienst angesichts jüngster Dramaturgendilettantismen). Denn besagter Text kommt mit keinem Wort vor. Stone versucht vielmehr, aus den Motiven mehrerer Strindberg’scher Dramen das Zeitenüberdauernde zu filtern und ins Heute zu übersetzen. Die halbsynchrone Paartherapie wird von neun Schauspielern in zunächst fünf
Hotelzimmern exekutiert. Man verhandelt heutige Bobo- Kalamitäten mit Metoo- Aspekt, und das Resultat ist keineswegs reizlos. Bei Strindberg, dessen Neurosen oft interessanter sind als ihre dramatische Umsetzung, könnte das Verfahren gut greifen. Allerdings kann sich das, was hier eine latent spießige Schickeria plagt, mit dem Wahnsinn des Originals nicht messen.
Auch ist die Koproduktion mit dem Theater Basel von der Besetzung ein wenig inhomogen: Caroline Peters, Martin Wuttke oder Aenne Schwarz liefern wahre Virtuosenstücke ab. Andere verlieren sich mitunter im gefährlichen Gelände zwischen Intimität und Privatheit.