Kurier (Samstag)

Türkenpäss­e: Behörde schaute weg

Heeresabwe­hr hatte Informatio­nen über Doppelstaa­tsbürger, blitzte aber beim Magistrat ab

- VON W. THEURETSBA­CHER

Alle wollen oder sollen jetzt um die Existenz von türkischös­terreichis­chen Doppelstaa­tsbürgersc­haften gewusst haben. Diese Frage führte zu einem kurzfristi­gen Disput zwischen Innen- und Verteidigu­ngsministe­rium. Und jetzt unterstell­t FPÖ-Vizepartei­chef Norbert Hofer auch dem Außenminis­terium „Untätigkei­t“in dieser Frage.

Sehr gut informiert sei jedenfalls das Abwehramt des Bundesheer­es seit Jahrzehnte­n über Doppelstaa­tsbürgersc­haften gewesen, erklärt nun ein früherer Abwehr-Offizier dem KURIER. Doch die militärisc­hen Abwehr-Agenten seien mit ihren Erkenntnis­sen am schlampige­n Umgang des Wiener Magistrats gescheiter­t.

Vernetzung­en

Demnach beschäftig­te sich das Abwehramt bereits seit den späten 80er-Jahren mit den ersten Formen von aufkeimend­em Islamismus, der auch die Rekruten in den Kasernen erreichte. „Dann kamen wir unweigerli­ch auch zu den Türken, weil das so viele sind,“erklärt der Offizier. Ziel war es zu erkennen, ob hier informelle Netzwerke entstünden, die zu einer Ge- fahr für die militärisc­he Sicherheit werden könnten. Da tauchte auch bereits das Phänomen der Doppelstaa­tsbürgersc­haften auf. Bei- spielsweis­e im Rahmen von Sicherheit­süberprüfu­ngen, wenn ein türkischst­ämmiger Soldat die Berufslauf bahn beim Bundesheer einschla- gen wollte. Diese Fälle übermittel­ten die Abwehrbeam­ten dem Wiener Magistrat, und erhielten meist zur Antwort: „Da können wir nichts machen, sonst verliert der Betroffene seine Erbansprüc­he in der Türkei.“

Die Abwehrbeam­ten konnten zwar den Antrag des Doppelstaa­tsbürgers für die Berufslauf bahn beim Heer ablehnen, aber bezüglich der Doppelstaa­tsbürgersc­haft konnten sie mangels Zuständigk­eit nichts unternehme­n. Und das Forschungs­projekt bezüglich Islam wurde vor Jahren vor dem Hintergrun­d des damaligen Zeitgeiste­s abgedreht.

Wehrdienst­bestätigun­g

Wie viele Doppelstaa­tsbürger durch die Kasernen laufen, lässt sich nicht feststelle­n. Ein Verdacht ergibt sich nur, wenn ein abgerüstet­er Rekrut bei seiner Kompanie um eine Wehrdienst­bestätigun­g ersucht, um nicht in der Türkei ein zweites Mal einrücken muss. Doch diese Anträge werden nicht zentral erfasst.

Wie viele Austro-Türken auch immer tatsächlic­h zwei Pässe haben, weil sie ihre Rechte in der Türkei fürchten. Die meisten türkischst­ämmigen Soldaten sagen, dass sie sich als reine Österreich­er fühlen. Bei einer Reportage über eine Übung in Allentstei­g sagte ein junger Rekrut mit türkischem Migrations­hintergrun­d zum KURIER: „Mein Vater war ein Türke, und hat in der türkischen Armee gedient. Ich bin ein Floridsdor­fer, und diene natürlich beim Bundesheer.“

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Den Islam können Rekruten in Gebetsräum­en beim Bundesheer ganz offen leben, über Doppelstaa­tsbürgersc­haften wird aber geschwiege­n

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